Soll man Globalisierung stoppen? Oder verbessern?
Globalisierung war ein Erfolg. Die Einkommen sind gestiegen, in den ärmeren Ländern stärker, die Preise haben sich angeglichen. Inflation ist in Industrieländern auf 2 Prozent gesunken, früher war sie oft zweistellig. Handels- und Investitionsverträge entstanden. Länder, die sich geöffnet haben, gewannen mehr. Die USA war immer der Mentor für Freihandel, Industriepolitik war verpönt, wenn, dann sollte sie horizontal sein, das heißt: Forschung fördern.
Dann hat sich das Bild gewandelt. Es gab Widerstand gegen billigere Lebensmittel aus fernen Ländern. Dann kamen Sanktionen gegen Länder, die politisch bestraft werden sollten, oft in der Sache begründbar, aber in der Ausführung mit nationalen Interessen; etwa durch die USA, aber auch dem aufstrebenden China. Zölle gegen billige chinesische Autos mögen ein Beispiel sein.
Die Regierungen der reichen Länder „screenen“ immer genauer, welche ausländischen Investitionen zugelassen werden. Lange Lieferketten werden kritisch gesehen, auch weil die reichen Länder von ihnen abhängig werden.
China solle gehindert werden, seine „Überproduktion“ in Europa zu verkaufen. Deutsche und französische Autobauer verschieben ihre Endtermine für den Verkauf von Verbrennern, weil ihre Firmen keine billigen Elektroautos anbieten.
Eine neue Industrie- und Außenhandelspolitik zeichnet sich ab. Das ist gut, aber sie soll nicht national sein, sondern international. Und sie soll nicht fördern, was gestern gut war und heute nur noch mit Förderungen machbar erscheint, sondern was der zukünftigen Wohlfahrt dient. Autos müssen nicht immer größer, breiter und stärker werden, Eine neuen Industriepolitik muss Maßnahmen so bündeln, dass mehre Ziele angesprochen werden. Rasche Zugverbindungen wird es in Europa nur geben, wenn Züge nicht an jeder Grenze Technik und Personal tauschen müssen. Inlandsflüge sind meist langsamer als Bahnen. Industriepolitik muss auch Sozial- und Gesundheitspolitik sein, Globalisierung muss nicht immer weltweit sein, sie kann in regionalen Clustern stattfinden mit kürzeren Lieferketten („near shoring“), aber mindestens zwei bis drei Anbietern. Subventionen für fossile Energie gehören abgeschafft. Unser Erfolg soll an Lebensfreude, Armutsbekämpfung und Nachhaltigkeit gemessen werden.
De-Globalisierung findet statt, Exporte wachsen nicht mehr schneller als Inlandskonsum, Preise sinken nicht mehr so rasch. Aber die neue Weltordnung darf auch nicht nur vom Staat und von Autokraten gelenkt werden, sondern von Ideen und Innovationen. Die EU könnte dabei eine Führungsrolle einnehmen, nicht ein nationaler Führer in Frankreich oder ein übervorsichtiger in Deutschland.
Die nächste EU-Kommission soll daher nach vorne blicken. Neue Technologien fördern, mit alternativen Energien. Nicht Importe verbieten, sondern Exporte nachhaltiger machen, Nahrungsmittel biologischer machen – besser als China, die USA und Indien, aber offen für noch bessere Lösungen. Dann ist Europa nicht kleiner, sondern gewinnt Marktanteile, wo Lebensbedingungen verbessert werden. Nicht mit immer höheren Steuern, sondern besserer Industriepolitik.
Karl Aiginger ist ehemaliger WIFO-CHef und leitet die Europlattform Wien - Brüssel
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