Nahost: Das prolongierte Problem
Der Nahe Osten kommt nicht zur Ruhe. Seit es den Staat Israel gibt, wurden nicht weniger als acht Kriege geführt, doch zwischen diesen Konflikten gab es eine Reihe von weiteren bewaffneten Auseinandersetzungen. Die längste Zeit zwischen den Kriegen war die von Libanon 2006 und dem Gazakrieg, immerhin 17 Jahre, während der „Durchschnitt“ bei fünf Jahren liegt.
Man muss kein Prophet zu sein, um zu meinen: Auch dieser wird nicht der Letzte sein. Die Erfahrungen aller bisherigen Kriege und militärischen Auseinandersetzungen sind, dass an dem Grundproblem nicht gerüttelt wurde. Es blieb bei dem scheinbar unüberbrückbaren Gegensatz zwischen Israel und den Palästinensern. Der neuzeitliche Ursprung der Gegensätze liegt in der Territorialfrage und ist im Grunde genommen im UNO-Plan von 1948 begründet. Schaut man sich die Zwei-Staaten-Lösung von damals an, ist es nicht schwer zu erkennen, dass diese nicht funktionieren kann. Verteilt auf weit voneinander entfernte Gebiete in einem Staat zusammengefasst, wo die Nachbarschaft auf Jahrtausende alte Gegensätze zurückblickt, kann dies kaum gut gehen. Zudem ist Palästina wirtschaftlich nicht lebensfähig. Von der Jerusalem-Frage ganz abgesehen, weil es beide Seiten für sich beanspruchen. Die sakrale Bedeutung der Stadt nicht nur für Juden und Moslems macht einen Ausweg schwer möglich, geschweige denn vor dem Hintergrund der Erbfeindschaft der Cousins.
Neue Lösungsansätze sind trotz der Kriege und territorialer Verschiebungen ausgeblieben. Die Änderung der ethnischen Zusammensetzung der Bewohner durch die Siedlungspolitik Israels sollte neue Realitäten schaffen, weitete jedoch zusätzlich die Grundlage der Auseinandersetzungen aus.
Das Problem mit den heutigen Lösungsvorschlägen ist, dass sie von den „Realitäten“ ausgehen. Diese erlauben aber keine langfristigen Ergebnisse. In der gegenwärtigen Nahostpolitik – wohl wissend, dass man dazu nicht in der Lage ist – geht es nicht um Langfristigkeit. Heute und sofort soll das Töten aufhören – was morgen ist, damit sollen sich die Nachfolger herumschlagen. Wohlgemerkt die politischen Nachfolger, denn keine bisherige Vereinbarung war von Dauer.
Alle Vereinbarungen sind unter dem Gesichtspunkt des Legislaturdenkens – also einer Zeitspanne von höchstens vier Jahren – zustande gekommen und folgten meist innenpolitischen Zwecken der Vermittler, die weit vom Nahen Osten entfernt sind. Sie hielten dementsprechend durchschnittlich so lange. Unter auf Wahlen ausgerichteten Gesichtspunkten der Vermittler lässt sich dieser zweitausend Jahre währende Gegensatz aber nicht auflösen. Staatsmännisches Vordenken ist das Gebot der Zeit, aber es sind nur wahltaktisch denkende Politiker vorhanden. Sie werden diesen achten oder vielleicht auch neunten Krieg beenden und eine Wiederholung ist programmiert.
Janos I. Szirtes ist Politikwissenschafter, lebt in Budapest. War Journalist und Diplomat.
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