Mit der EU ist es in Österreich so eine Sache
Die EU-Skepsis in Österreich steigt“, titelten etliche Medien, nachdem das Europaparlament am Anfang Dezember eine Neuauflage seiner halbjährlichen Umfrage zur Stimmungslage in den 27 EU-Mitgliedstaaten veröffentlicht hatte.
Mit dem Image der Europäischen Union ist es in Österreich so eine Sache. Ein genauerer Blick auf die Daten des Eurobarometers lohnt sich.
Richtig ist, die Skepsis gegenüber der EU ist hierzulande im EU-Vergleich hoch. Bei der Frage, ob die Mitgliedschaft eine gute oder schlechte Sache ist, sind wir neuerdings Europameister: Mit 22 Prozent stehen wir an erster Stelle jener, die meinen, sie sei eine schlechte Sache und mit 42 Prozent an letzter Stelle derer, die denken, die Mitgliedschaft sei eine gute Sache.
Falsch ist jedoch zu behaupten, dass sich die EU-Stimmung hierzulande weiter negativ entwickelt hat. Ein Blick auf vergangene Umfragen hilft. So war etwa die Gruppe jener, die die EU-Mitgliedschaft negativ beurteilten, zwischen 2010 und 2017 fast durchgehend größer als sie heute ist und beinahe über denselben Zeitraum lag auch die Zahl der Befürworter unter dem heutigen Wert. Auch wenn die aktuellen Werte schlecht sind, sind sie also keine Sensation.
Unser Meistertitel beruht vielmehr darauf, dass sich in den anderen EU-Ländern das Meinungsbild verbessert hat, bei uns jedoch stagniert. Sorge sollte uns dieser letzte Platz aber jedenfalls bereiten, denn ein Gutteil davon ist hausgemacht. Grundsätzlich gilt für Österreich, dass etwa zwei Drittel der Bevölkerung der EU-Mitgliedschaft neutral bis positiv gegenüberstehen.
Wenige für Austritt
Fragt man nach EU-Austritt oder Verbleib, sind es seit 1995 sogar durchschnittlich 70 Prozent, die klar EU-Befürworter sind, die Zahl jener, die sich definitiv einen EU-Austritt wünschen, liegt hingegen bei 22 Prozent.
Wird, wie im Eurobarometer, danach gefragt, ob die Mitgliedschaft eine gute oder schlechte Sache ist, wird übrigens stets die Gruppe übersehen, für die sie weder gut noch schlecht ist. Immerhin 35 Prozent und ein im EU-Vergleich hoher Wert. Genau diese Gruppe der Gesellschaft wird zu wenig angesprochen. Eine Gruppe, die etwa die Erweiterung der Union mehrheitlich kritisch sieht, aber hohe rechtsstaatliche Standards begrüßt und mit egoistischen Totalblockaden à la Orbán wenig bis gar nichts anfangen kann.
Sie jenen zu überlassen, die grundsätzlich gegen alles sind und lediglich laut schreien, ohne konstruktiv zur Problemlösung beizutragen, ist keine gute Idee. Der Auseinandersetzung lieber aus dem Weg zu gehen ist es ebenso wenig. Die Mär, dass es mit europäischen Themen nichts zu gewinnen gibt, ist längst widerlegt.
Sündenbock-Rhetorik
Man darf sich also ruhig mit guten Argumenten rüsten, sich einer kurzsichtigen Sündenbock-Rhetorik widersetzen und mit einem Diskurs, der auch Chancen, Ziele und Möglichkeiten der europäischen Gegenwart und Zukunft skizziert, zu Wort melden.
Europa ist reich an Geschichten, die Begeisterung wecken können. Wir sollten sie einfach öfter erzählen.
Paul Schmidt ist Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik.
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