Kriegsweihnachten anno 2024

Ein ukrainischer Ikonenmaler stellt Bilder her, die er vor Weihnachten an der Front verteilen will
Die christliche Botschaft ist in diesen Tagen sehr leise. Ein Gastkommentar von Janos I. Szirtes.

Kriege bestimmen langsam unser Leben. Kein Frieden auf Erden. Die Welt geht einer zunehmend unsicheren Welt entgegen. Ob Weihnachten oder nicht – die gegenseitige Achtung, Unversehrtheit, Wertschätzung geht verloren.

In Afrika wird irgendwo immer ein Krieg geführt. Im Donbass herrscht der Krieg nicht seit drei, sondern seit zehn Jahren. Im Kosovo besteht die Gefahr für Leib und Seele noch länger. In Nahost sogar seit vielen Jahrzehnten. Ob die Waffen in Syrien, dem Libanon oder Gaza schweigen werden, liegt in den Sternen. Kollateralschäden werden von allen Beteiligten ohne Rücksicht auf Verluste in Kauf genommen.

Kriegsweihnachten anno 2024

Janos I. Szirtes

Wenn das Großmütterchen auf der „russischen“ Seite der Front zu Weihnachten in die Kirche geht, tut sie dies zwei Wochen später als ihre katholischen Mitgläubigen in Bethlehem. Sie geht in eine Kirche der russisch-orthodoxen Kirche, dessen Moskauer Oberhaupt und ehemaliger KGB-Spion sich für den Krieg in der Ukraine ausspricht und sich für den „Sieg“ einsetzt. Wer mit ihm nicht einverstanden ist, wird exkommuniziert. Sehr unchristlich. Der Aufruf des Papstes, sein Bruder im Glauben im fernen Moskau möge sich auf christliche Werte besinnen, blieb ohne Widerhall.

In die Kirche geht auch das Großmütterchen auf der anderen Seite der Front. Sie geht aber in eine ukrainisch-orthodoxe Kirche, falls sie nicht schon zerschossen wurde – wie die Moscheen in Aleppo. Ihre Kirche sagte sich aufgrund der Unterstützung des Krieges seitens der Moskauer Kirchenführung von dieser los. Das Großmütterchen lebt in Armut, oft halbtags ohne Strom, mit wenig Einkaufsmöglichkeiten und wegen des Krieges kann sie sich auch nicht aus dem eigenen Garten oder Stallungen ernähren. Trotz hohem Alter kümmern sie sich um die Enkel, Urenkel, deren Eltern im Ausland arbeiten, geflüchtet, an der Front oder gar tot sind. Ein Leben voller Entbehrung, ausweg- und hoffnungslos. Ein Leben, das sie teilweise im Keller verbringen. Oder in anderen Ländern in der Wüste, nur ein Zelt über dem Kopf, mit der täglichen Sorge nach Wasser und etwas Essbarem.

Ob es an der Front zu Weihnachten wie im Ersten Weltkrieg zu Verbrüderungen kommt oder sich nur einfach weiter beschließt, ist ungewiss. Wie lange all der Schrecken dauern wird, wissen die Großmütterchen, die Soldaten an beiden Seiten der Front nicht. Ihre politischen Führer verfolgen unterschiedliche Visionen – weitab von den Hoffnungen der Betroffenen.

Weihnachten anno 2024. Kein Fest der Liebe. Kein Friede auf Erden. Vielleicht eine Zeit mit etwas weniger Morden und Verlusten, aber auch dies ist nur vorübergehend. Auch wenn der Schrecken für ein einige Tage aufhören sollte, geht es danach weiter. Kein Ende mit Schrecken, sondern Schrecken ohne Ende. Die christliche Botschaft ist sehr leise – falls man sie überhaupt hört.

Janos I. Szirtes ist Politikwissenschafter, lebt in Budapest, war Journalist und Diplomat.

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