Kostenwahrheit statt Taxonomie
Die EU-Kommission will mehr Geld in klimafreundliche Technologien lenken. Doch die Taxonomie-Verordnung sorgt für Aufregung: Strom aus Atomkraftwerken oder Gasturbinen soll als grün deklariert werden, ganz so wie Wind- und Sonnenstrom oder Wasserkraft. Politisch ist das wohl nicht mehr aufzuhalten. Umweltministerin Gewessler will daher den Klagsweg beschreiten. Die Taxonomie legt fest, welche wirtschaftlichen Aktivitäten nachhaltig sind. Investoren, ob private oder öffentliche – wie Förderbanken oder gar Zentralbanken – sollen so gezielt „grüne“ Investitionen bevorzugen. Das soll die Finanzierungskosten für nachhaltige Projekte absenken und für schmutzige steigern.
Politiker werden oft genug von Ideologien getrieben. Sie vertreten in der EU nationale Einzelinteressen. Und sie sind dem Druck mächtiger Interessensgruppen ausgesetzt. So fordert die deutsche Verteidigungsindustrie, ebenfalls in die Taxonomie aufgenommen zu werden, denn Sicherheit sei „die Mutter der Nachhaltigkeit“. In der Taxonomie bestimmt politisches Kalkül, was nachhaltig ist. Dem Klima ist so nicht gedient.
Außerdem ist der Ansatz zutiefst planwirtschaftlich. Expertenräte bestimmen, was „grün“ ist und was nicht. Das lässt sich aber oft gar nicht so allgemein sagen. Ein E-Auto fährt in Schweden aufgrund des nationalen Strommixes fast CO2-frei, in Polen überhaupt nicht. Wer Gas nicht in die Taxonomie aufnimmt, stellt es der Kohle gleich, und lässt damit den schmutzigeren Brennstoff relativ zu Gas wirtschaftlicher aussehen. Wer konventionellen Wasserstoff ausschließt, bremst eine Technologie, die bei hohen CO2-Preisen grün werden würde. Es hängt also von den Umständen ab, ob eine Aktivität nachhaltig ist oder nicht.
Besser als die Taxonomie ist das konsequente Setzen auf Kostenwahrheit. Europa hat sich bei der Bepreisung von Klimagasen eigentlich für diesen Weg entschieden.
Aktuell kostet eine Tonne CO2 im Industrie- und Stromsektor 85 Euro, Tendenz weiter steigend. Das schafft mächtige Anreize, Geld in jene Investitionen zu lenken, die dem Klimaschutz nutzen, ganz ohne politische Mikrosteuerung. Und wenn auch
in den Bereichen Verkehr und Wohnen die CO2-Emissionen so teuer wären und der saubere Strom von Abgaben befreit würde, käme es ebenfalls zu starken Lenkungseffekten. Das Zauberwort lautet Kostenwahrheit. Übrigens nicht nur bei Treibhausgasemissionen. Beim Betrieb von Kernkraftwerken aber auch bei Talsperren zur Gewinnung von Wasserkraft treten erhebliche Risiken auf, die wie selbstverständlich von der Allgemeinheit getragen werden. Die Gewinne bleiben oft genug privat.
Das verzerrt die Investitionsentscheidungen. Statt vor dem EuGH einen Rechtsstreit um Listen auszufechten, wäre es für Klima und Wirtschaft besser, für umfassende Kostenwahrheit zu kämpfen.
Gabriel Felbermayr ist Direktor des WIFO.
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