Keir Starmer: Siegreich und uncool

Der frischgebackene britische Premierminister vor dem EM-Finale in Berlin
Das Understatement des neuen britischen Premierministers könnte für Highlights sorgen. Ein Gastkommentar von Melanie Sully.

Bis vor Kurzem war Keir Starmer, Labour-Chef und nun Premierminister Großbritanniens, außerhalb Westminster kaum bekannt. Doch der nach dem Gründer der Labour-Partei, Keir Hardie, benannte Mann zeigte schnell, dass er zu Höherem berufen war. Starmer war Generalstaatsanwalt und wurde zum Ritter geschlagen, ein Titel, der ihn in Verlegenheit bringt, weil es zu aristokratisch klingt. Im Wahlkampf wiederholte er, dass sein Vater ein Werkzeugmacher gewesen sei, was jedoch nur wenige überzeugte. Medienberichten zufolge gehörte seinem Vater eine Werkzeugfabrik, was ihn für viele zu einem weiteren gewöhnlichen Politiker und ehemaligen Anwalt und damit volksfremd machte.

Keir Starmer: Siegreich und uncool

Melanie Sully

Starmer wird als langweilig empfunden. Während einer Rede wurde er von einem Protestanten mit Glitzerkonfetti überschüttet, um ihn in Schwung zu bringen. Starmer blieb jedoch hartnäckig glanzlos, und so müssen wir einfach damit umgehen. Am Wahlabend fiel bei ihm zu Hause das Internet aus, was er mit den Worten „das ist schon ein bisschen frustrierend“ kommentiert haben soll. Sein Understatement könnten in den nächsten Jahren für echte Highlights sorgen.

Starmer ist ein Mann mit einer Mission. Er übernahm seine Partei, die nach einer vernichtenden Wahlniederlage demoralisiert war. Gnadenlos warf er alle aus der Partei, die Wähler abschrecken könnten. Die Konservativen haben sich freundlicherweise selbst zerstört. Am Wahlabend hat Starmer trocken festgestellt: „Wir haben es geschafft!“

Und was nun?

Minister waren schnell ernannt, der unselige Ruanda-Plan zur Abschiebung von Asylwerbern verschoben. Um welchen Preis, ist noch unklar. Arbeitsgruppen wurden eingerichtet, um mehrere Krisen zu bewältigen. Es kann nur besser werden, und für ein paar Tage sah es so aus, als dass Football tatsächlich nach Hause kommen würde. Starmer war im Berliner Olympiastadion hautnah dabei, um zu sehen, wie das nicht passierte. Immerhin musste er sein teures Versprechen, im Falle eines englischen Sieges einen Feiertag auszurufen, nicht einlösen.

Starmer jettete weiter zum NATO-Gipfel nach Washington. Sein Treffen mit Joe Biden dauerte länger als geplant. Der Premierminister fühlte sich sichtlich geschmeichelt und mehrere Regierungschefs, deren eigene politische Zukunft alles andere als sicher ist, wollen nun sein Erfolgsgeheimnis wissen. Was hat Starmer geantwortet? Dass er einfach uncool sei?

Die Familie Starmer hat eine Katze, aber die Kids wollen einen Hund. Vermutlich soll das als Trost dafür dienen, dass sie nach Nr. 10 übersiedeln müssen. Aber Downing-Street-Kater Larry interessiert sich nicht für Ruanda, leistbares Wohnen, mehr Spitäler oder Polizei. Larry ist bestens versorgt. Larry genießt langweilige Routine, da könnte Keir gut passen. Aber ein Hund?

Melanie Sully ist eine britische Politologin und lebt seit Langem in Österreich.

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