Hürden bei der Armutsbekämpfung
Armut in Österreich ist gerade jetzt im Advent nicht zu übersehen. Nicht, weil einem vermehrt armutsbetroffene Menschen begegnen; doch der Aufruf, eine warme Suppe oder einen Schlafsack zu spenden, ist überall zu lesen. So wichtig diese Appelle diverser NGOs sind und so sehr die Bereitschaft, individuelle Not zu lindern, uns auszeichnet: All das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bei der Armutsbekämpfung nicht um einzelne Schicksale geht, die es mit Almosen zu mildern gilt, sondern um ein strukturelles Thema. Und die Verantwortung dafür liegt nicht beim Christkind oder all jenen, die zu Weihnachten etwas Gutes tun wollen, sondern beim Staat.
Dabei sind es allerdings nicht Geschenke, die der Staat verteilt, sondern er hat seiner Pflicht nachzukommen, allen Menschen ihr Recht auf ein Leben in Würde und sozialer Sicherheit zu gewähren. Dazu verpflichtet uns der Pakt für soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte, der von Österreich seit mehr als 45 Jahren ratifiziert ist. Darin ist u. a. festgelegt, dass ein Staat jeden Menschen über das gesamte Leben hinweg vor diversen Lebensrisiken und Einkommensverlusten schützen muss, etwa im Krankheitsfall, bei Arbeitslosigkeit oder im Alter.
So ist auch die staatliche Pension, die nach Ende der Erwerbstätigkeit jedem Menschen zusteht – und die niemand infrage stellen möchte –, von diesem Recht auf soziale Sicherheit umfasst, genauso wie das Krankengeld. Und Menschen, deren Einkommen nicht ausreicht, um ihre Grundbedürfnisse zu decken, haben einen Rechtsanspruch auf Sozialhilfe.
Doch – und das wird oft übersehen – das soziale Netz fängt nicht alle auf. Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz ist zum Teil diskriminierend und schließt manche Personen durch Hürden und restriktive Zugangsvoraussetzungen aus. Die Folge: Auch in Österreich müssen Menschen hungern oder frieren – nämlich dann, wenn sie aufgrund der Gesetzesbestimmungen entweder die Sozialhilfe erst gar nicht in Anspruch nehmen (können) oder nicht mehr genügend Geld fürs Heizen und fürs Essen übrig ist – geschweige denn für den Schulausflug der Kinder.
Hier liegt also der Hebel, an dem angesetzt werden muss. Wenn wir die Armut im Land bekämpfen möchten, müssen wir anerkennen, dass dies auf einer strukturellen Ebene zu passieren hat: Es braucht eine Neugestaltung der Sozialhilfe, mit Mindestsätzen statt der vor fünf Jahren eingeführten Höchstsätze, die nicht auf die Lebensrealitäten der Menschen eingehen. Einen Abbau der Hürden, denen die Menschen im Zugang zur Sozialhilfe begegnen. Und ein Ende der Stigmatisierung und Beschämung durch Politik und Gesellschaft. Armut ist kein Versagen und Sozialhilfe kein Almosen des Staates, sondern sie ist eine Leistung, auf die Menschen einen Anspruch haben. Auch abseits von Weihnachten und ganz ohne Christkind.
Shoura Hashemi ist Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich.
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