Grüne Retro-Romantik, in Wahlslogans gegossen

Vizekanzler Kogler bei der Präsentation der ersten Plakatwelle der Grünen.
Die Energiewende braucht das Beste aus beiden Welten. Ein Gastkommentar von Elisabeth Zehetner.

Der frühere Wiener Bürgermeister hat Wahlkampfzeiten nicht zu Unrecht als Zeiten „fokussierter Unintelligenz“ bezeichnet. Ein drastisches Beispiel dafür liefern aktuell die Grünen. „Bäume oder Beton?“ fragen sie auf einem ihrer Wahlplakate. Das kann man getrost in die Kategorie Wählerveräppelung einordnen. Denn gerade für klima- und umweltbewegte Menschen drängen sich angesichts dieses Slogans dringliche Gegenfragen auf. Etwa: Woraus bestehen die Fundamente von Windrädern? Welches Material wird beim Bau von U-Bahntunneln und Tragplatten für Schienen für klimafreundlichen Bahnverkehr verwendet? Woraus bestehen Straßendecken, auf denen E-Fahrzeuge fahren?

Beton ist und bleibt wichtiger Teil der Energiewende. Genauso, wie die Pflege und Erweiterung des Baumbestands zur besseren CO2-Bindung. Es ist nicht nur falsch, sondern auch klimapolitisch grob fahrlässig, den Menschen zu kommunizieren, dass unsere Zukunft in einer romantisch-ökologischen Wald- und Wiesennatur liegt.

Grüne Retro-Romantik, in Wahlslogans gegossen

Elisabeth Zehetner

Tatsache ist: Eine erfolgreiche Energiewende wird und muss mit Windrädern, Sonnenkollektoren und vielen anderen Technologien das „Gesicht“ unserer Kulturlandschaften erheblich verändern. Auch die Strommasten und -leitungen, die „unsichtbaren“ (Atom-)Strom transportieren, sind seit Langem Teil unserer Kulturlandschaften. Wer „Ja“ zur Energiewende sagt, muss auch bereit zur Umsetzung technologischer Lösungen sein. Menschen haben schon immer gestaltend in die Natur eingegriffen – vom Acker bis zur Alm. „Natürlichen“ Wald, den die Grünen offenbar zu Wahl stellen, gibt es in Österreich nur in ganz geringem Ausmaß.

Der Wahlslogan „Bäume oder Beton?“ ist deshalb nicht nur eine Beleidigung der Intelligenz der Wählerschaft, sondern ein Affront gegenüber allen, die mit Technologien und Lösungen intensiv daran arbeiten, dass Klimaschutz und Klimaanpassung in der Praxis funktionieren können.

Ich verstehe, dass in Wahlzeiten zugespitzte und plakative Aussagen dominieren. Doch Schwarz-Weiß-Kommunikation spielt hier wichtige Werkstoffe gegeneinander aus. Die Debatte wird auf „Bist du nicht für den Baum, bist du gegen den Klimaschutz“ reduziert, statt sich darauf zu konzentrieren, wie wir die Energiewende wirklich schaffen. Wir brauchen weniger Ideologie und mehr Vernunft, weniger Polarisierung und mehr Dialog. Die Botschaft sollte klar sein: Es braucht Bäume UND Beton. Das Beste aus beiden Welten. So wie in der klugen Kombination aus Holz- und Betonbau der Schlüssel zu einer besseren Bauweise liegt.

Mit grüner Retro-Romantik im Stil der 1980er-Jahre lassen sich die klimapolitischen Herausforderungen der Zukunft nicht gewinnen. Und wohl auch nicht die Stimmen derer, die intelligenten, wachstums- und wohlstandssichernden Klimaschutz als zentrale politische Verantwortung ansehen.

Elisabeth Zehetner ist Geschäftsführerin von Oecolution Austria; davor in der WKÖ tätig

Kommentare