Gewaltenteilung und Rechtsdienste: Die Wurzel der Missverständnisse

Gewaltenteilung und Rechtsdienste: Die Wurzel der Missverständnisse
Bei unabhängiger Kontrolle besteht in Österreich erheblicher Nachholbedarf. Das hat der Streit ums EU-Renaturierungsgesetz gezeigt. Ein Gastkommentar von Peter Hilpold.

Die Diskussion um die mehr oder weniger weitreichende Unabhängigkeit des Verfassungsdienstes hat offengelegt, dass in Österreich noch erhebliche Missverständnisse über die Gestalt und die wesentlichen Erfordernisse einer effektiven Gewaltenteilung einerseits und über die Grundbedingungen eines wirksamen Rechtsschutzes andererseits vorliegen. Der Konflikt hat Wellen geschlagen bis nach Brüssel – und wurde im Ausland überwiegend als Kuriosum wahrgenommen, da schwer erklärbar ist, worin in Österreich die Wurzeln der offenkundigen Missverständnisse liegen, die hier zu laufenden Verwechslungen zwischen Verwaltungsbehörden und Gerichten geführt haben. Hierzulande war diese Auseinandersetzung hingegen – trotz Ihrer Schärfen und vieler unnötiger Zuspitzungen – insgesamt heilsam, da sie zu einem ersten Nachdenkprozess geführt hat.

Gewaltenteilung und Rechtsdienste: Die Wurzel der Missverständnisse

Peter Hilpold

Die Diskussion hat auch verdeutlicht, dass die Verwaltung über wertvolle Rechtsdienste mit hoch qualifizierten Juristen und Juristinnen verfügt. Diesen darf aber keine größere Rolle, keine weiterreichende Funktion zuerkannt werden, als die Verfassung vorsieht und erlaubt. Die österreichische Politik kann sich gerne intern beraten lassen, aber sie muss letztlich ihre eigenen Entscheidungen auch selbst verantworten und zu diesen stehen. In weiterer Folge wurde damit deutlich, dass die Gewaltenteilung und schließlich auch das Recht auf einen wirksamen Zugang zu einem Gericht ernster genommen werden muss. Art. 47 der Grundrechte-Charta muss auch in Österreich verstärkt Beachtung finden.

Beispiel Universitäten: Mit dem UG 2002 wurde der Zugang zu den Gerichten (EU-rechtswidrig – siehe gerade Art. 47, aber auch Art. 19 EUV!) in dem zentralen Bereich der Berufungsverfahren weitgehend eliminiert. Es besteht zwar noch die Möglichkeit einer Aufsichtsbeschwerde nach § 45 UG, doch wie soll hier eine im Grunde gerichtliche Funktion von einer Instanz ausgeübt werden, die diese Voraussetzungen nach allen internationalen Kriterien gerade nicht erfüllt? Weshalb gewährt man den Beschwerdeführern keine Parteistellung, sodass auf dieser Grundlage eine Anrufung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts möglich wäre?

Es ist ein Grundprinzip einer jeden rechtsstaatlich verfassten Demokratie (und EU-rechtlich eindeutig geboten!), dass öffentliches Handeln einer unabhängigen Kontrolle unterworfen wird oder zumindest unterworfen werden kann. Hier besteht in Österreich offenkundig noch erheblicher Nachbesserungsbedarf.

Die aktuelle Auseinandersetzung hat deutlich vor Augen geführt, dass ein strukturell in ein Ministerium eingebauter Rechtsdienst sicherlich intern wertvolle beratende Aktivitäten entfalten, aber eben keine gerichtsähnlichen Aufgaben wahrnehmen kann. Wenn die Aufsichtsbeschwerde der einzige Weg ist, um Missstände im universitären Bereich geltend zu machen, die Beschwerdeführer sich dann aber vor einer Einrichtung der Exekutive befinden und nicht einmal über Parteistellung verfügen, dann müsste jedem klar werden, dass hier ein rechtsstaatliches Defizit vorliegt, das auch und gerade EU-rechtlich nicht tragbar ist.

Peter Hilpold lehrt Völkerrecht, Europarecht und Steuerrecht an der Universität Innsbruck.

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