Gegengift zur Lebensmittelkrise: Landwirtschaft von morgen mixt ökologisch

Lukas Hader ist Geschäftsführer des Biotech-Unternehmens Multikraft aus Pichl (OÖ)
Es herrscht Sorge um die Lebensmittelversorgung. Ganz ohne synthetische Pestizide oder Kunstdünger wird es nicht funktionieren.

2020 hat die EU-Kommission den Green Deal vorgelegt, nach dem die Mitgliedsstaaten bis 2050 klimaneutral werden. Im ersten Schritt sollen die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 sinken und die Nutzung von Pflanzenschutzmitteln um die Hälfte reduziert werden. In einem Interview mit Investigate Europe erklärte der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, dass ohne begrenzten Einsatz von Ackergiften die biologische Vielfalt gestört sein wird und die Landwirtschaft in Europa nicht aufrechterhalten werden kann. Eine Nahrungskrise wäre die logische Konsequenz. Doch ist die Zukunft pestizidfrei? Viele Landwirtinnen und Landwirte sagen Nein, Umweltverbände, die in Pestiziden eine echte Gefahr für Mensch, Tiere und Natur sehen, hingegen ja.

Die Wahrheit liegt in der Mitte. Ein Umdenken ist dringend notwendig. Weniger Pestizide in unseren Ökosystemen sollten gewiss angestrebt werden. Ein Verbot im Hausgarten, wie es in der Schweiz bereits für 2024 beschlossen wurde, könnte auch in Österreich umgesetzt werden. Dort wurde die Gesamtmenge an Pestiziden um 10 Prozent reduziert. Nur so können wir die Biodiversität, unsere Gesundheit und auch die Lebensmittelversorgung in unserem Land schützen.

Ganz ohne synthetische Pestizide oder Kunstdünger wird es aber auch nicht funktionieren, vor allem kurzfristig. Eine nachhaltige Wirtschaftsweise sollte das Ziel sein. So können Pestizide eingespart und ertragreich gewirtschaftet werden. Denn auch Pflanzenschutzmittel kosten Geld.

Ein Instrumenten-Mix aus natürlichen Maßnahmen und guter Ausbildung ist meines Erachtens das zukunftsfähigste Modell – und demnach Nützlinge, Mischkulturen, Fruchtfolgen, neue Züchtungen und Robotertechnik. Der Unmut einiger Landwirtinnen und Landwirte ist verständlich. Sie müssten ihr landwirtschaftliches System zum Teil oder gänzlich modifizieren. Andererseits bringen Pestizide vielfach spürbare Probleme: Denn Schädlinge und Pflanzenkrankheiten passen sich schneller an als Pestizide. Bei vielen natürlichen Methoden ist das nicht der Fall. Sie stören zudem den Humusaufbau nicht. Kohlenstoff kann so im Boden dauerhaft gespeichert werden. Das kommt besonders dem Wasserhaushalt und dem Wurzelwachstum zugute und ist eine Win-Win-Win-Situation für Natur, Gesellschaft und, durch die bessere Ertragssicherheit, auch für die Landwirtinnen und Landwirte. Einfach ist der Verzicht von Pestiziden sicherlich nicht, aber die Praxis zeigt: Es ist machbar – und bei einer gezielten, präzisen Dosierung sogar kostengünstiger.

Die Zukunft einer sicheren Lebensmittelversorgung ist also ein Balanceakt. Es wird darum gehen, die natürlichen Kreisläufe zu erhalten und die Abhängigkeit von endlichen Ressourcen zu unterbrechen.

Lukas Hader ist Geschäftsführer des Biotech-Unternehmens Multikraft aus Pichl (OÖ)

Kommentare