Die wahren Extremisten

Die wahren Extremisten
Viele setzen beim Thema Klimawandel auf Wunschdenken. Ein Gastkommentar von Michael Praschl.

Aktuell werden häufig diejenigen, die sich für wissenschaftlich belegte, überlebenswichtige Klimaschutzmaßnahmen engagieren, als Extremisten bezeichnet – nicht nur die „Klimakleber“, deren Methodik auch ich nicht befürworte. Wer unangenehme Wahrheiten ausspricht, gilt oft als radikaler Extremist.

UN-Generalsekretär Guterres – von Rechtspopulisten bereits als Extremist bezeichnet – spricht solche Wahrheiten aus: „Die aktuelle Klimapolitik führt bis zum Ende des Jahrhunderts zu einer Erderwärmung von 2,8 °C im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter. Wir rasen sehenden Auges auf eine Katastrophe zu – mit zu vielen, die auf Wunschdenken, auf unerprobte Technologien und Wunderlösungen setzen. Es ist Zeit, aufzuwachen und aufzustehen.“ Er stellt auch die Frage, ob nicht eher die Länder, die weiterhin fossile Brennstoffe produzieren, die echten Klimaextremisten sind. Leider werden die 2,8 Grad Temperaturerhöhung möglicherweise bereits Mitte des Jahrhunderts erreicht.

Im Gegensatz dazu meint beispielsweise die ÖVP wörtlich: „Das gebetsmühlenartige Verteufeln von Verbrennermotoren ist eine reine ideologiegetriebene Verbotskultur von Schein-Klimaaktivisten.“ Nachdem hier die Wissenschaft ignoriert und den Menschen suggeriert wird, dass alles durch Technologie gelöst wird (z. B. E-Fuels) und niemand sein Verhalten ändern muss, kann man das durchaus als extremistisch bezeichnen. Auf das Wissen der vielen hochkompetenten Experten im Klimaschutz-/Verkehrsministerium wird bewusst verzichtet.

Die FPÖ leugnet – wortgleich mit der AfD – entweder den Klimawandel generell (Leugner Typ A), oder den menschlichen Einfluss darauf (Leugner Typ B). Viele lassen sich dadurch tatsächlich ködern, weil sie bei Nichtexistenz der Erderhitzung ja nichts am eigenen Verhalten ändern müssten und auch keinerlei Schuld auf sich geladen hätten. Das würde ich sogar als radikal-extremistisch bezeichnen.

Auch die Autoindustrie hat sich Jahrzehntelang gegen Klimaschutzmaßnahmen extrem gewehrt und – trotz Wissen um die dramatischen Folgen – Milliarden von Verbrennermotoren in Umlauf gesetzt, die mehr als 2/3 des getankten Treibstoffs ungenutzt in die Luft blasen.

Auch Privatpersonen, die jährlich mehr als 10 Tonnen Treibhausgase (Pro-Kopf-Durchschnitt in Österreich) verursachen, dürfen sich als extreme Erderhitzer betrachten – vertretbar wären eigentlich nur 1 bis 2,5 Tonnen. Keine Angst – Extremismus ist hier nicht strafbar. Gerne kann man jeden Einzelfall – je nach unabdingbaren Mobilitätsnotwendigkeiten – einzeln bewerten. Viele Reiche, die durch ihre Freizeitgestaltung (z. B. mehrere Flugreisen p. a., Leben in verschwenderischem Luxus etc.) jährlich zwischen 20 und 150 Tonnen Treibhausgase verursachen, sind aber unzweifelhaft Extremisten.

Michael Praschl befasst sich wissenschaftlich mit dem Klimawandel und mit sicherer und nachhaltiger Mobilität

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