Die wahre Plagiatsfalle

Die wahre Plagiatsfalle
Ich soll streitbar sein? Es geht um Qualität in der Wissenschaft

Christine Aschbacher sei „rehabilitiert“, und ich, der „streitbare“ oder „umstrittene“ Plagiatsjäger hätte mich dann wohl geirrt. – Ist dem so? Im Fall der Diplomarbeit schrieb die FH Wiener Neustadt in einer Presseaussendung von „Mängel[n] bei der Einhaltung der Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis“, eine andere Formulierung für „Plagiat“, denn Fälschungen oder Erfindungen waren ja nie der Vorwurf. Allerdings sei eine Täuschung nicht nachweisbar gewesen, was man ja fast immer behaupten kann. Im Fall der Dissertation an der TU Bratislava genügte ein einziger Satz an zwei heimische Journalisten: „In ihrem Abschlussbericht hat die Kommission kein Plagiat in der Dissertation festgestellt.“

Nun, das ist sonderbar. Man hat 25 Monate für diese Feststellung benötigt, wobei ich die Plagiate in wenigen Stunden identifizieren konnte. Es gibt öffentlich keine Gutachten, keinen Abschlussbericht, nicht einmal eine Presseaussendung auf der Uni-Website. Fast sieht es so aus, als wäre das Statement durch Nachfragen der österreichischen Journalisten getriggert worden.

Spannend auch, dass der für Hochschulen verantwortliche slowakische Spitzenbeamte in einer E-Mail vom 8.4.2021 schrieb: „Einer ihrer Minister musste wegen eines Plagiats in unserer Hochschule, das auf institutioneller Ebene nicht erkannt wurde, zurücktreten. Ich bedauere dies. Wir haben mehrere Maßnahmen ergriffen, um den Fakultäten zu helfen, die Situation, die in diesem Fall eingetreten ist, zu vermeiden.“ War der Beamte 2021 voreilig? Oder ist 2023 etwas faul? Oder egal?

Eigentlich geht es mir in meiner Arbeit ja um die Qualität von Abschlussarbeiten und die mangelnde Qualitätskontrolle. Um Maturanten, die immer öfter bereits studierunfähig an die Universitäten kommen und die grundlegenden Kulturtechniken nicht beherrschen, um ein Universitätsstudium erfolgreich zu absolvieren – außer eben, sie plagiieren. Um Betreuer, die die eingereichten Arbeiten nicht lesen und jeden Quatsch, jedes Plagiat durchwinken. Um Lehrende und ganze Universitäten wie etwa die TU Wien, die nicht mit Plagiatssoftware in Anbindung an die Lernplattform prüfen (in Amerika und England undenkbar). Um Universitäten, die nach Prüfungsaktivität und Abschlüssen für ihre Wissensbilanzen schielen und nichts anderes.

Und um die Frage, ob Qualitätssicherung hier nicht zum Störfaktor geworden ist, was fatale Auswirkungen auf unsere akademische (politische, mediale und wirtschaftliche) Elite zeitigen würde. Das Bildungsministerium unter Minister Polaschek und Hochschul-Sektionschef Pichl hat in den vergangenen Monaten eindrucksvoll gezeigt, dass es an Qualitätssicherung an Universitäten nicht (mehr) das geringste Interesse hat. Im Gegenteil: Alle erfolgreich begonnenen Projekte zu „Guter Wissenschaftlicher Praxis“ wurden eingestampft.

Stefan Weber ist Plagiatsgutachter und Autor

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