Die Stunde Österreichs

Die Stunde Österreichs
Welchen Wert die Neutralität im Ukraine-Konflikt hätte

Den Leitartikel von Andreas Schwarz (KURIER, 21. September) kann man zusammen fassen mit: „Abschreckung funktioniert nur, wenn man bereit ist die Mittel einzusetzen, die schrecken.“ Welche Mittel könnten Putin „schrecken“?

Sanktionen? Putin haben sie nicht abgeschreckt, weiter Krieg zu führen. Sie haben den Westen in ein energie- und wirtschaftspolitisches Desaster gestürzt.

Waffenlieferungen des Westens? Putin haben sie nicht abgeschreckt, weiter Krieg zu führen. Sie haben der Ukraine kurzfristig zu marginalen Gebietsgewinnen verholfen. Putin reagiert darauf mit einer Teilmobilmachung, verstärkten Rüstungsbemühungen und der unverhohlenen atomaren Drohung. Andreas Schwarz schreibt: „Der Westen muss gerade jetzt noch mehr Entschlossenheit entgegensetzen und ihm zeigen, dass er mit seinem Krieg, mit seinen Nuklear-Drohungen nicht durchkommt, sondern dass er sich sein eigenes Grab schaufelt.“ Wie stellen Sie sich das vor? Weitere Sanktionen? Putin wird das nicht beeindrucken. Er wird vielmehr die wirtschaftliche Zerstörung des Westens weiter vorantreiben. Noch mehr Waffenlieferungen aus dem Westen? Er wird darauf mit weiteren Rüstungsanstrengungen reagieren, vielleicht auch mit einer Generalmobilmachung.

Welche Mittel würden Putin also „schrecken“? Die letzte Eskalationsstufe wäre dann der Einsatz atomarer Kampfmittel. Dann wird sich Putin nicht nur sei eigenes Grab schaufeln, sondern auch unseres. In dieser Welt gibt es viele kluge Menschen, die für eine Deeskalation des Konflikts eintreten. Es wäre vielleicht die Stunde des neutralen Österreichs. Bundeskanzler Nehammer hat dies ja am Anfang des Konflikts versucht. Und man kann durchaus verstehen, dass die Bundesregierung der geballten Macht der EU nicht widerstehen konnte. Aber jetzt wäre es an der Zeit, der österreichischen Neutralität, als Grenzzieher zur eskalierenden Kriegsgewalt, aber auch als Vermittler, gerecht zu werden. Es wird nicht leicht werden, dem Kriegssog der EU zu widerstehen. Ich traue es Nehammer und Kogler zu. Und es ist kein Einknicken des Westens gegenüber Putin. Es ist der Versuch einer zivilisierten westlichen Gesellschaft mit seinen Werten einen Konflikt mit einem Aggressor zu lösen, bevor die Zukunft der nächsten Generationen, ukrainischer, aber unserer Kinder und Enkel nicht mehr vorhanden ist. Eines ist jedoch unumstößlich. Die Ukraine muss als souveräner Staat weiter bestehen und ihre geopolitische Ausrichtung eigenständig bestimmen können. Wir befinden uns an einer, wenn nicht der, entscheidenden Weggabelung dieses Krieges. Entweder weiter die Eskalationsschraube des Krieges befeuern, oder die westlichen Werte der Zivilisation, des Dialogs einsetzen? Putin kennt diese Werte nicht, also müssen wir beginnen.

Sepp Wimmer ist Fraktionsobmann der Grünen Klosterneuburg.

Kommentare