Die Lehre als Zukunftsmodell

Ein modernes Trainingscenter für Lehrlinge in Zeiten des grassierenden Fachkräftemangels
Die Grenzen der Wissensvermittlung müssen verschoben werden. Ein Gastkommentar von Julia Wienerroither.

In Österreich hat die Lehre eine lange Tradition, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Bis heute lernen Bäcker, Maurer, Schneider und viele andere Spezialisten ihren Beruf im dualen Ausbildungssystem. Natürlich bildet heute niemand mehr Sensenmacher, Kupferschmiede, Wagner oder Stellmacher aus. Dafür haben wir neue Lehrberufe geschaffen, von der Fernwärmetechnikerin über den Fachinformatiker bis hin zur Lebensmittel- oder Prozesstechnikerin. Die Lehre entwickelt sich also ständig weiter, passt sich an neue Bedarfe an und bildet hoch qualifizierte Fachkräfte aus.

Die Lehre als Zukunftsmodell

Julia Wienerroither

In den letzten Jahren wurde die Lehre innerhalb des Bildungssystems aufgewertet. Im 20. Jahrhundert standen junge Menschen noch vor der Wahl, eine Schullaufbahn anzustreben oder einen praktischen Beruf zu erlernen. Im Vergleich zu weiterführenden Schulen hatte die Lehre immer wieder mit einem schlechteren Ruf zu kämpfen. Heute gibt es die Lehre mit Matura, die Auszubildenden alle Weiterbildungschancen offenhält. Das macht die Lehre zukunftssicher und gleichzeitig für junge Menschen attraktiv. Ihr wesentlicher Vorteil ist, dass wir die Fachkräfte von morgen selbst ausbilden können. Um rechtzeitig Engpässen entgegenzuwirken, muss die Lehre aber ein nachhaltiges Ausbildungssystem bleiben. Vor allem die Lehrbetriebe sind aufgefordert, die Lehre als attraktives und zeitgemäßes Ausbildungsmodell beizubehalten.

New Work ist eines der Schlagwörter unserer Zeit. Das betrifft auch die Lehre, denn junge Menschen kann man heute nicht mehr so ausbilden wie vor 100 Jahren. Lehrlinge sind keine Hilfsdienstleister, sondern wissbegierige junge Menschen, die ein Unternehmen langfristig bereichern. Dabei ist entscheidend, neben dem spezifischen Fachwissen des jeweiligen Berufs auch übergreifendes, aktuelles Know-how zu vermitteln. Denn als Lehrbetrieb übernehmen wir die Verantwortung für junge Menschen, die sich in einer prägenden Lebensphase befinden und nach Orientierung suchen. Lehrbetriebe müssen heute über den Tellerrand schauen und die Grenzen der Wissensvermittlung verschieben. Ein möglicher Weg kann sein, auf neue Trends und Themen einzugehen und beispielsweise Social Media Workshops, Diversitäts- und Gleichberechtigungsseminare oder speziell zugeschnittene Gesundheitsworkshops anzubieten. Als Arbeitgeber gehört es dazu zu versuchen, die Themen, die Lehrlinge beschäftigen, zu verstehen, aufzugreifen und Antworten zu liefern. Wertschätzung, etwa in Form von Prämien oder internen Ehrungen, sind für die langfristige Arbeitnehmer-Beziehung unbezahlbar.

Wenn es gelingt, junge Menschen für den eigenen Betrieb zu begeistern und ihnen gleichzeitig Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten, gewinnen wir am Ende loyale und zuverlässige Mitarbeitende, die sich mit dem Unternehmen identifizieren.

Julia Wienerroither ist Head of HR bei S. Spitz GmbH

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