Das Comeback des polarisierenden Trump
Nach dem Wahlsieg von Donald Trump steht die Frage im Raum, wie sich die transatlantische Zusammenarbeit weiterentwickeln kann. Einerseits stellt der Wahlausgang die EU vor die Chance, sich weiterhin als verlässlicher Partner in einem immer komplexeren geopolitischen Umfeld zu behaupten. Andererseits müssen aber auch spürbare Impulse für eine stärkere Unabhängigkeit gesetzt werden.
Trump steht für eine protektionistisch ausgerichtete Wirtschaftspolitik und verfolgt einen gegenteiligen Kurs zu Joe Biden. Das Faktum, dass Österreich stark in den EU-Binnenmarkt eingebunden ist und von der Stabilität der transatlantischen Beziehungen profitiert, macht die Situation noch diffiziler. Problematisch ist darüber hinaus die Programmatik Trumps in Fragen von Sicherheit, Demokratie und Klimaschutz. In diesen Bereichen wird es schwierig sein, eine transatlantische Allianz zu bilden, zumal Trumps Überzeugungen dahingehend geradezu als fragwürdig erscheinen.
Während Kamala Harris betont hatte, dass sie in den Bereichen Klimapolitik und digitaler Wirtschaft eng mit Europa zusammenarbeiten möchte, leugnete Trump die globalen Klimaprobleme. Für die EU wäre es unter einer US-Präsidentin Harris einfacher gewesen, Kooperationen in zukunftsweisenden Technologiebereichen zu verwirklichen.
Wichtiger denn je ist es für die EU nun, die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, denn unter Trump haben die USA Interesse daran, ihre globale Vormachtstellung zu verteidigen. Gerade im Zeitalter der KI könnte es zu wettbewerblichen Spannungen im Digitalisierungssektor kommen. Weitere kritische Problemfelder zeichnen sich ab im Bereich der Spannungen zwischen den USA einerseits und China und dem Nahen Osten andererseits. Die teils prorussischen Provokationen Trumps betreffend die Ukraine erschweren den diplomatischen Dialog. Mit dem Sieg Trumps beginnt eine neue Ära hinsichtlich der Bedeutung internationaler Institutionen (wie OSZE oder UNO). Trump könnte sich für die transatlantische Partnerschaft, vor allem in der Sicherheitspolitik, als bedeutende Schwierigkeit erweisen. Ohne verstärkte Finanzierung der Rüstungsindustrie werden die EU-Mitgliedsstaaten nicht auskommen. Hier sind die USA kein verlässlicher Partner mehr.
Gerade vor dem Hintergrund des angespannten Verhältnisses zu Russland nimmt die neutrale Position Österreichs eine noch bedeutendere Rolle ein. Unsere Außenpolitik muss sich künftig verstärkt darauf fokussieren, als „Brückenbauer“ zu agieren, der in globalen Krisen eine diplomatische Lösung anstrebt.
Die EU wird verstärkt darauf bedacht sein müssen, ihre wirtschaftlichen Interessen abzusichern und eine eigenständige Innovationsfähigkeit zu fördern, um den bestehenden Herausforderungen effektiv begegnen zu können. Die Fähigkeit beider Akteure, eine ausgewogene Balance zwischen Kooperation und Eigenständigkeit zu erreichen, wird maßgeblich die politische und ökonomische Zukunft der EU und der USA prägen – selbst wenn ein solches Gleichgewicht gegenwärtig noch in weiter Ferne liegt und unter Präsident Trump erschwert wird.
Marlon Possard forscht an der FH Campus Wien in den Bereichen Recht, Wirtschaft und Finanzen. Absolvierte zuletzt einen Forschungsaufenthalt in Harvard (USA)
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