Burgtheater und "Bothsideism" bei Nahostkonflikt

Burgtheater und "Bothsideism" bei Nahostkonflikt
Seltsam leise zeigen sich Kulturinstitutionen zum Terror gegen Israel. Ein Gastkommentar von Martin Maxl.

Zweimal am Tag fahre ich mit meinem Fahrrad am Burgtheater vorbei, zweimal am Tag sehe ich neuerdings zwei rote, riesige Transparente an der Fassade: „Aufwachen, bevor es wieder finster wird“ und „Nach der Vorstellung: Aufstehen“. Diese Transparente, die ohne erkennbaren Anlass oder Zusammenhang mit einem Theaterstück an der Fassade des Burgtheaters hängen, raunen den Passanten zu. Sie warnen vor dem, was da kommt, und fordern „Haltung und Widerstand“ gegen eine „Stimmung, eine politischen Tendenz und demnächst womöglich eine Regierung“ (so auf der Website des Burgtheaters).

Diese Aufforderung zu „Haltung und Widerstand“ und dieses dumpfe Raunen auf den Transparenten befindet sich im größten Gegensatz zum lauten Schweigen des Burgtheaters zu den leider sehr wirklichen Terrorangriffen der Hamas auf jüdische Zivilisten in Israel. Das ist dem Burgtheater wenig wert, keine Gedenkveranstaltung, keine Solidaritätsadresse, keine (sonst rasch zu habende) Lesung – nur ein lauwarmes Statement gegen die „Spirale der Gewalt“ im Nahen Osten auf der Website des Burgtheaters.

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„Haltung und Widerstand“ finde ich in diesem Statement nicht, aber klassischen Bothsideism nach dem größten Massaker an jüdischen Zivilisten seit der Shoah. Nach diesem beispiellosen realen Terrorangriff gegen Humanität, Zivilisation und Freiheit ist der Sound der Burgtheater-Transparente seltsam falsch. Wenn ich heute abends mit dem Fahrrad wieder nach Hause fahre, so werden mich diese Transparente daran erinnern, wie billig das „Aufwachen“ und „Aufstehen“-Geraune in diesen Tagen des realen Terrors in Israel ist.

Das Burgtheater ist in seinem Bothseidism und in seinem Schweigen gegenüber dem Terror des 7. Oktober nicht allein. Viele österreichische Kulturinstitutionen, die sonst laut in den Echokammern der sozialen Medien Solidarität mit Randgruppen und Opfern der Gesellschaft bekunden, schweigen zu den Terrorangriffen oder verurteilen sie knapp, nur um den nächsten Satz mit „Ja, aber…“ oder „Ich bin ja kein Antisemit, aber …“ zu beginnen. Das ist deshalb ungewöhnlich, da im progressiven Selbstverständnis dieser Kulturinstitutionen die Sensibilität gegenüber jeder Form von Ungerechtigkeit oder Aggression einen hohen Stellenwert hat. Dieser latente Antisemitismus in linken emanzipatorischen Subkulturen (Nicholas Potter in seinem Buch „Judenhass Underground“) und eben auch in Kulturinstitutionen ist nicht erst seit Gründung der BDS-Bewegung („Boycott, Divestment and Sanctions“) im Jahr 2005 fashionable. BDS ist eine transnationale politische Kampagne, die die „Okkupation und Kolonisierung allen arabischen Landes“ durch Israel beenden will.

Seit dem 7. Oktober 2023 zeigt dieser latente Antisemitismus sein Gesicht – auch durch sein lautes Schweigen zum „Schwarzen Sabbat“.

Martin Maxl ist Wirtschaftsanwalt in Wien.

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