Armut ist kein Schicksal
Wir gehen durch eine fordernde Zeit. Klimakrise. Teuerung und Rezession. Kriege. Eine polarisierte Gesellschaft. Einsamkeit. Über allem eine Krise des Vertrauens: In Wissenschaft und Glaube, Politik, Medien, Wirtschaft. Als würde einem der Boden unter den Füßen weggezogen.
Was mich in Augenblicken wie diesen trägt? Glaube und Erfahrung.
„Fürchtet euch nicht“ – kaum ein anderer Satz findet sich öfter in der Bibel. Angst ist immer eine schlechte Ratgeberin. Täglich erfahre ich in der Caritas, dass wir gemeinsam das Leben Einzelner und damit uns als Gemeinschaft zum Positiven verändern können. Dass Veränderung oft klein beginnt und Großes bewirkt.
Als Caritas sind wir da, wo Not ist. Weltweit, aber auch hier in Österreich. Wir helfen. Und wir schauen hin.
Mit Blick auf die Wahlen haben wir aus unserer täglichen Arbeitserfahrung heraus Kernanliegen an die wahlwerbenden Parteien verfasst, von A wie Armut bis Z wie Zusammenarbeit. Damit haben wir Antworten auf drängende soziale Fragen gegeben, wie sie sich für uns darstellen. Die nächste Bundesregierung sehe ich vor allem bei den Themen Armut und Pflege besonders gefordert: Wir müssen weiter alles tun, dass niemand in Österreich in Armut leben muss.
Armut in Österreich ist jung und weiblich – Kinder und Frauen sind zuerst betroffen, wenn es eng wird. Aber auch Mindestpensionisten. Wir brauchen einen Sozialstaat, der wirksam und nachhaltig vor Armut schützt, indem er präventiv Armut verhindert. Wir brauchen Strukturen, die halten, wenn Krisen kommen. Sozialleistungen in einer Höhe, die ein Leben ohne Armut ermöglichen.
Reformen
Das heißt ganz klar: Wir brauchen Reformen – vom Arbeitslosengeld über die Sozialhilfe, eine echte Investition in Bildung und Gleichstellung, um dem Teufelskreis Armut ein für alle Mal ein Ende zu setzen.
Denn: Armut ist kein Schicksal, sondern Folge von ungerechten Strukturen. Wir können sie als Caritas lindern – die Politik muss sie verhindern.
Genauso drängend ist die Absicherung unseres Pflege- und Betreuungssystems. Die demografische Kurve ist nicht aufzuhalten. Es gilt jetzt und für die Zukunft, eine menschenwürdige Pflege und Betreuung für alle sicherzustellen. Wir brauchen ein zukunftsfittes Personalpaket und ein Mehr an Ausbildungen. Angebote, Kosten, Verfügbarkeiten und Unterstützungen müssen vom Bodensee bis zum Neusiedler See gleich sein.
Wir können die Gestaltung der Zukunft nicht der Politik alleine überlassen – es kommt auf jede und jeden Einzelnen an. Gegenseitiges Unterstützen und füreinander da sein sind wichtig, und vergessen wir nicht: Wir sind Gesellschaft. Wir schauen aufeinander – daher fürchte ich mich nicht.
Nora Tödtling-Musenbichler ist Präsidentin der Caritas Österreich.
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