50 Jahre Fristenlösung: Schwangerschaftsabbruch ist kein Verbrechen

++ HANDOUT ++ NEUE GESCHÄFTSFÜHRERIN VON AMNESTY INTERNATIONAL ÖSTERREICH: SHOURA HASHEMI
Österreich bewegt sich bei Schwangerschaftsabbrüchen auf einem Mittelweg, der den vollen Zugang für Betroffene nicht gewährleistet. Ein umfassender Wandel ist überfällig. Ein Gastkommentar von Shoura Hashemi.

Die 1973 verabschiedete Fristenlösung war zweifellos ein Fortschritt, ist aber längst nicht mehr zeitgemäß. In den ersten drei Monaten und bei hohem Gesundheitsrisiko straffrei, ist der Schwangerschaftsabbruch die einzige medizinische Behandlung, die im österreichischen Strafgesetzbuch geregelt ist. Dies fördert nicht nur die anhaltende Stigmatisierung, sondern hemmt auch reale Fortschritte. Finanzielle Barrieren, regionale Versorgungslücken und soziale Ächtung erschweren den sicheren und leistbaren Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen.

Mit Ausnahme von medizinischen Notfällen gelten Schwangerschaftsabbrüche nach wie vor als Privatleistung. Meist bewegen sich die Kosten zwischen 350 und 800 Euro, ungeachtet zusätzlicher Kosten wie beispielsweise durch Anreise oder Nachuntersuchungen. Die prekäre Versorgungslage in vielen Teilen Österreichs verschärft das Problem zusätzlich. In Vorarlberg und Tirol gibt es jeweils nur eine Einrichtung, im Burgenland keine, und in der 2-Millionen-Stadt Wien stehen nur acht Einrichtungen zur Verfügung, die von den umliegenden Bundesländern stark in Anspruch genommen werden. Die Folge: Der Zugang zum Schwangerschaftsabbruch hängt nicht nur von den finanziellen Verhältnissen ab, sondern ist auch zu einer Lotterie der geografischen Lage geworden.

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Einen Schwangerschaftsabbruch im Krankenhaus durchzuführen, ist nicht „extrem“, wie es Vorarlbergs Landeshauptmann Wallner (ÖVP) bezeichnete. Der sichere und leistbare Zugang zu Schwangerschaftsabbruch ist geltendes Menschenrecht.

Andere Länder haben dies erkannt: In Frankreich übernimmt die Krankenversicherung die Kosten für Schwangerschaftsabbrüche und die aktuelle Regierung plant, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in der Verfassung zu verankern – ein Vorschlag, der derzeit auch in Schweden geprüft wird.

Es finden sich auch traurige Gegenbeispiele: Seitdem in Polen der Zugang 2020 drastisch eingeschränkt wurde, sind mindestens sieben Frauen an den Folgen eines unsicheren Eingriffs gestorben. Restriktive Regelungen blockieren nicht nur den Weg zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen, sondern bedrohen Leben.

Um Ähnliches in Österreich zu verhindern, wäre eine volle Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs ein erster, aber wichtiger Schritt. Es würde den Weg ebnen, um Schwangerschaftsabbrüche als integralen Bestandteil des Gesundheitssystems anzuerkennen. Der sichere und erschwingliche Zugang darf nicht länger Privileg sein für jene, die es sich leisten können, sondern ein Menschenrecht für alle.

Shoura Hashemi ist Geschäftsführerin Amnesty International Österreich

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