41-Stunden-Woche: Das Kalkül der Industrie

41-Stunden-Woche: Das Kalkül der Industrie
Eine Arbeitszeitverlängerung wäre ein schlechter Deal für Arbeitnehmer. Ein Gastkommentar von Korinna Schumann.

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich leisten enorm viel: Mit einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 40,8 Stunden (2022) liegen sie auf Platz 2 in der EU, nur in Griechenland wird noch mehr gearbeitet. Auch mit einer maximalen Wochenarbeitszeit von 60 Stunden liegt Österreich am oberen Ende. Dazu kommt, dass der Druck in der Arbeitswelt steigt und die Arbeitszeit schlecht verteilt ist, zwischen unfreiwilliger Teilzeit und überlangen Arbeitszeiten.

Stichwort lange Arbeitszeiten: Nahezu 47 Millionen der mehr als 180 Millionen im Vorjahr geleisteten Mehr- und Überstunden wurden nicht vergütet. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben diese Stunden gearbeitet, aber weder Zeitausgleich noch Geld dafür bekommen. Unternehmen haben sich damit 1,3 Mrd. Euro erspart.

41-Stunden-Woche: Das Kalkül der Industrie

Vor diesem Hintergrund ist vermutlich auch der jüngste Vorstoß der Industriellenvereinigung zu betrachten, die jetzt eine Wochenarbeitszeit von 41-Stunden fordert. Würden alle Vollzeitbeschäftigten jede Woche eine Stunde länger arbeiten, ergäbe das etwa 120 Millionen Arbeitsstunden. Diese IV-Forderung dürfte also weniger ein schlechter Scherz als wohldurchdachtes Kalkül sein: Geht man auf 41 Stunden Wochenarbeitszeit, könnte man einen erheblichen Teil der nicht bezahlten Überstunden legalisieren. Aus Sicht der Industrie eine gute Rechnung, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ergäbe das einen Nachteil von mehreren Milliarden Euro.

Besonders schlecht wäre der Deal für Frauen, denn ein höheres Vollzeit-Ausmaß würde den Lohn bzw. das Gehalt von Teilzeitbeschäftigten reduzieren – und damit vor allem das Einkommen von Frauen, die wegen mangelnder Kinderbetreuungsmöglichkeiten keine Möglichkeit haben, mehr Stunden zu arbeiten. Besonders stark betroffen sind Frauen auch in einer weiteren Hinsicht: Die Produktivität steigt, obwohl die Arbeitsdichte und damit der Stress zunehmen. Es ist kein Geheimnis, dass es meistens Frauen sind, die Doppel- und Dreifachbelastungen ausgesetzt sind, denn Haus- und Care-Arbeit lasten zu einem Gutteil auf ihren Schultern.

Ebenfalls kein Geheimnis ist, dass überlange Arbeitszeiten gesundheitsgefährdend sind: Mehr Unfallrisiken, mehr Krankenstände, somit also auch mehr Kosten fürs Gesundheitssystem. Was es wirklich braucht, ist zum einen Umverteilung. Denn bereits jetzt gehen knapp 1,5 Millionen Beschäftigte davon aus, dass sie ihre Tätigkeit nicht bis zur Pension schaffen. Zum anderen müssen wir endlich offen und faktenbasiert über die Ermöglichung kürzerer Arbeitszeiten reden. Es geht darum, Arbeitszeitmodelle zu erarbeiten, die mit den Lebenskonzepten in Einklang zu bringen sind.

Die Gewerkschaften sind bereit für diese Diskussion und haben die notwendige Expertise. Arbeitszeitverkürzung steht nicht nur am Tag der Arbeit in unserem Fokus.

Korinna Schumann ist ÖGB-Vizepräsidentin und Bundesfrauenvorsitzende

Kommentare