Da wir nun schon von Politik, Wahrheit, Kunst und Psychologie sprechen, verweilen wir doch, weil er so schön ist, beim Augenblicke, den uns (was auch immer „uns“ bedeutet) das österreichische Team mit dem 3:1 gegen Nordmazedonien bescherte. Aber nicht bei der sportlichen Analyse, sondern bei der Rezeption.
Begonnen hat die EURO ja in vielen Haushalten mit der Haltung: Wahrscheinlich werden die Kicker diesmal wieder nix reißen außer einer Brez’n. Dann fiel gegen Nordmazedonien (vom ORF-Kommentator immer wieder nur Mazedonien genannt, so weit zum Thema Politik) plötzlich ein Tor, und schon erlebte Österreich einen „Traumstart“. Bald folgte die Ernüchterung nach einem Ausgleich wie in einem Slapstick-Film – zu Tode betrübt statt himmelhoch jauchzend. Und mit der Zeit die Erkenntnis, dass ein Remis gar nicht so schlecht sei.
Da war es wieder: Österreich, das Land des Unentschiedens, der nicht so klaren Festlegung, der Hättiwari-Champions. Wir fühlen uns unseren Gästen überlegen, bleiben aber gastfreundlich.
Und dann, als viele Raunzer nicht mehr an einen Erfolg gedacht hatten, aufgrund empirischer Erfahrung nicht mehr daran denken durften, plötzlich ein Genieblitz. Und als Draufgabe ein Tor des begnadetsten Kickers auf dem Platz plus Beschimpfungen – schon ist Österreich Europameister, verdientermaßen. „Ein Sieg für das Geschichtsbuch“, sagte der deutsche Trainer, zumindest fürs Geschichtsbücherl. Und die Kicker, die in Deutschland, in England, in China, demnächst in Spanien oder bei der einzigen international erfolgreichen österreichischen Mannschaft ihr Geld verdienen, sind groß wie Marvel-Helden, wenigstens bis zum nächsten Match.
All das zeigt, wie sehr die österreichische Seele nach Erfolgen giert. Wie sehr diese nur liefern kann, wer einen internationalen Horizont hat. Wie nahe übersteigertes Selbstbewusstsein und Minderwertigkeitsgefühle beisammen liegen. Und wie sehr das Stadion auch eine Couch ist.
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