Fachkräfte, verzweifelt gesucht
Dieser Tage wurde bei den Wirtschaftsgesprächen in Alpbach viel über anhaltendes Zinstief, neue Handelsbarrieren, italienische Schuldenkrise, über (mangelnden) Mut und Innovationskraft geredet. Doch wer mit Spitzenmanagern sprach, stieß daneben auf ein – bisher vor Kurzem auch vom Wirtschaftskammerpräsidenten weitaus unterschätztes – Problem: den eklatanten Mangel an Arbeitskräften, trotz (inklusive AMS-Schulungen) noch immer 340.000 Arbeitslosen. Österreichweit werden 162.000 Fachkräfte gesucht.
Immer mehr zeigt sich ein Vollversagen des Schulwesens und ein Teilversagen unserer (ehemaligen) Leistungsgesellschaft. Kapsch weicht für IT-Kräfte auf den indischen Personalmarkt aus. Magna findet nicht einmal mehr Stapelfahrer. Große Firmen umwerben die jungen Leute mit Spezialangeboten: Die Heinzel-Holding bietet Lehrlingen zum Beispiel ein Abhol-Service von daheim. Metro versucht Lehrlinge zur Matura zu motivieren. Ohnehin mutieren alle Firmen aus der Not zu Bildungseinrichtungen. Denn unter den Arbeitslosen und oft genug auch unter Lehrlingen finden sich immer mehr sekundäre Analphabeten, die eine Liefer-Adresse nicht mehr entziffern können und keine zweistellige Rechnung bewältigen. Viele Firmen können in der Hochkonjunktur mittlerweile Aufträge aufgrund mangelnder Arbeitskräfte nicht mehr annehmen. Wirtshäuser bleiben am Wochenende (oder überhaupt für immer) geschlossen, weil niemand mehr am Wochenende oder abends arbeiten will.
Irgendetwas funktioniert da nicht
Natürlich sind das alles Mitgründe, warum Firmen nun darum kämpfen, abgelehnte Asylwerber behalten zu dürfen, die bei ihnen eine Lehre begonnen haben. Aber im Grunde braucht es tief greifendere Reformen: Die Schulen – komplett überfordert mit der multikulturellen (oft aber auch einfach nur disziplinlosen) Gesellschaft – müssen ihren Bildungsauftrag endlich wieder erfüllen (können). Die international hochgelobte duale Ausbildung in Betrieb und Schule braucht eine Imageverbesserung im Inland. Das ist auch ein Auftrag an die Firmen selbst. Etliche haben in Zeiten eines besseren Arbeitskräfteangebots auf billige Leiharbeiter gesetzt und auch ihre älteren Arbeitnehmer, weil zu teuer, hinausgedrängt. Wie kann man sie länger im Betrieb halten? Anders organisieren muss man auch die Nachqualifizierung – und höhere Arbeitsanreize setzen. Irgendetwas funktioniert da überhaupt nicht. Immer mehr Firmen suchen gar nicht mehr via AMS. Neun von zehn Arbeitslosen, die sich bei einer Firma zum Jobgespräch anmelden, kommen erst gar nicht – trotz gegenteiliger AMS-Beteuerungen ohne spürbare Konsequenzen. Notwendig ist auch eine gezieltere (nicht durch Schlepper gesteuerte) Einwanderungspolitik.
Die Regierung hat u. a. eine neue Rot-Weiß-Rot-Card versprochen. Die Zeit drängt. Das Problem hat Potenzial, unser gutes Wirtschaftswachstum abzuwürgen.
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