Europa darf nicht zum Museum werden

Europa darf nicht zum Museum werden
Langsam keimt die Erkenntnis, dass sich die Politik gegen die schwindende Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen stemmen muss
Martina Salomon

Martina Salomon

Welch späte Erkenntnis: „Europa war in den vergangenen Jahren vielfach zu naiv. Wenn wir weiterhin wirtschaftlich erfolgreich und wettbewerbsfähig sein wollen, müssen wir die EU-Standortpolitik strategischer ausrichten“, sagte Wirtschaftsminister Martin Kocher diese Woche. Ja eh. Hätte er das als früherer Wirtschaftsforscher nicht schon früher wissen müssen, und warum hat er dies nicht mit Nachdruck in den EU-Ministerräten eingefordert? Leider ist Kocher ja auch mit seinen richtigen Ansätzen für eine Arbeitsmarktreform gescheitert – am linksgrünen Koalitionspartner, aber auch an mangelnder Hausmacht in der ÖVP.

Schon lange ist klar, dass die Industrie im internationalen Wettbewerb immer weniger konkurrenzfähig ist. In Europa im Allgemeinen und in Österreich im Speziellen. Wenn man mit einer neuen Fabrik nur ein paar Hundert Kilometer – zum Beispiel nach Polen – weiterziehen muss, um motiviertere Arbeitnehmer und weniger Bürokratie vorzufinden, ist es nur logisch, dass eher dort gebaut wird. Schleichend hat hierzulande Personalabbau, unbezahlter Urlaub und mit dem Betriebsrat vereinbarte Kurzarbeit eingesetzt. Es sind deutliche Alarmsignale. Niemand sollte wieder im Nachhinein überrascht tun.

Die nächste Bundesregierung wird, um Arbeitsplätze und damit den Sozialstaat zu sichern, größeres Augenmerk auf die Wettbewerbsfähigkeit des Landes legen müssen. Sollten SPÖ, FPÖ und/oder (weniger wahrscheinlich) Grüne in der Verantwortung sein, müssen sie über ihren sozialpopulistischen Schatten springen. Und auch die ÖVP sollte endlich wieder ihre Wirtschaftskompetenz entdecken. Die großzügige Ausgabenpolitik war ja nicht einmal erfolgreich: Sie hat die Inflation befeuert und keinen Wähler zufriedengestellt. Tirols ÖVP-Landeshauptmann Anton Mattle fordert nun zu Recht von seiner Partei ein, mehr auf „Leistung und Leistungsbereitschaft“ zu setzen.

Immerhin gibt es Zeichen für einen Paradigmenwechsel: Im Parlament wurde am Donnerstag im Rahmen der Abschaffung der kalten Progression ein zweiter Teil an Steuererleichterungen beschlossen – ein Fortschritt für Private und für kleinere Betriebe. Dafür gebührt der Regierung Beifall, das haben ihre Vorgänger nicht geschafft. Und die EU hat nun so wie Amerika vorübergehend Strafzölle für die schwer subventionierten chinesischen E-Autos eingeführt. Das ist richtig, wenn auch schwierig, weil es indirekt auch die deutsche Autoindustrie trifft. China und die USA haben jeweils eine aggressive und staatlich stark gestützte Industrialisierungsstrategie bei gleichzeitig viel niedrigeren Steuern und Energiekosten. Die nächste EU-Kommission muss den europäischen Wirtschaftsstandort retten. Als Museum für die Welt können wir unser soziales Niveau nicht halten. Wenigstens die Erkenntnis ist langsam da.

Martina Salomon

KURIER-Herausgeberin Martina Salomon

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