Europa muss lernen, sich zu schützen

Europa muss lernen, sich zu schützen
Als Politiker für stärkere militärische Zusammenarbeit in Europa zu werben, ist in unseren Breiten vergleichbar mit der Forderung nach einem schnitzelfreien Wochenende.
Armin Arbeiter

Armin Arbeiter

"Macron löst Ukraine-Krise im Alleingang!“ – von dieser Meldung dürfte der französische Präsident träumen, wenn er heute, Montag, nach Moskau aufbricht, um mit seinem russischen Pendant Wladimir Putin über die Situation an der ukrainischen Grenze zu sprechen. Kaum ein europäischer Politiker ist derzeit so darum bemüht, die europäische Position in der aktuellen Krise zu vertreten wie Emmanuel Macron. Das muss er auch – schließlich geht es zu einem großen Teil um seine Wiederwahl. Man täte dem französischen Präsidenten allerdings Unrecht, blickte man nur darauf.

Seit Beginn seiner Amtszeit wird Macron nicht müde, die „strategische Autonomie“ Europas zu fordern. Damals kam das gut an – schließlich drohte Ex-US-Präsident Donald Trump, die NATO zu verlassen. Europa wäre plötzlich schutzlos dagestanden. Überall in der EU waren Reden zu hören, wonach „Europa dringend etwas für die eigene Sicherheit tun muss“.

Dann kamen andere Probleme, andere Krisen – das Thema schlief ein (wie schon zuvor – etwa nach dem Jugoslawienkrieg oder der Besetzung der Krim). Doch immerhin: Im März werden die EU-Staaten den „Strategischen Kompass“ aus der Taufe heben – ein „Grundlagendokument“, das bestimmen soll, was die EU-Staaten außenpolitisch eigentlich wollen. Zu unterschiedlich sind die außenpolitischen Interessen und Standpunkte, als dass man sich in all den Jahren – 30 sind es seit dem Vertrag von Maastricht – auf mehr einigen konnte als ein Instrument, das erfassen soll, wohin man möchte. In einer Welt, in der die „soft power“ seit Jahren immer weniger zählt, in der die USA ihren Fokus bald wieder fast ausschließlich gen Pazifik richten werden, in der Russland Politik mit militärischer Stärke macht. Und in der China mit guten Aussichten danach trachtet, spätestens 2050 Militärmacht Nummer eins zu sein. Ohne Kompass könnte Europa regelrecht schwindelig werden.

Die Europäische Union hat es geschafft, eine segensreiche Friedensperiode sicherzustellen – sie ist ein beispielloses Projekt, hat ihren Mitgliedsstaaten sagenhaften Wohlstand gebracht. Doch es ist höchste Zeit, anzuerkennen, dass sie sich zu schützen lernen muss. Eine gemeinsame europäische Armee wird es in absehbarer Zeit nicht geben. Eine EU-Eingreiftruppe in der Stärke von bis zu 60.000 Mann war bereits geplant, wurde wieder verworfen, aber wäre theoretisch umzusetzen. Doch da fehlt es etwa an der Einstimmigkeit. Und am Willen. Als Politiker für stärkere militärische Zusammenarbeit in Europa zu werben, ist in unseren Breiten vergleichbar mit der Forderung nach einem schnitzelfreien Wochenende. Und auch Macron wird sich nach seiner etwaigen Wiederwahl erst mit Problemen in seinem Land herumschlagen müssen. Bleibt zu hoffen, dass die NATO- und damit EU-Schutzmacht USA die Krise bis dahin gelöst hat.

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