"EU-Zentralismus" – schlichte Agitation

Wer ein gemeinsames Europa will, muss dafür sorgen, dass es gemeinsame Entscheidungen gibt.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Es ist Wahlkampf, und da soll man nicht jedes Wort in einem Bierzelt auf die Goldwaage legen. Aber wir wollen wissen, ob und wie die Parteien die EU weiter entwickeln wollen.

Vor dem Brexit-Chaos war die Ausgangslage sehr einfach: Die europäischen Volksparteien, die Sozialdemokraten und die Liberalen wollten die EU stärken, wenn auch unterschiedlich. Mehr Möglichkeiten für Mehrheitsentscheidungen sollten im Bereich der Finanzen, der Steuern, der Sozialpolitik, aber auch der Außenpolitik mehr Gemeinsamkeiten herbeiführen. Die Rechten rund um Salvini, Le Pen und Strache hingegen spielten mit dem Austritt aus dem Euro oder gleich dem Zerschlagen der EU, und mit Volksabstimmungen zur Mobilisierung ihrer Wähler.

Der Brexit beziehungsweise die Erkenntnis, dass die Briten unter einem ungeordneten Austritt wirtschaftlich massiv leiden werden, hat die Rechtspopulisten vorsichtig werden lassen. Jetzt ist nicht mehr von der „Zerschlagung dieser EU“, von „Verrat am Volk“ oder einer „EU-Diktatur“ die Rede, jetzt gehen die Rechten es – für ihre Verhältnisse – subtiler an. Jetzt geißelt FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache die angebliche „Bürokraten-EU“, und ÖVP-Spitzenkandidat Othmar Karas wird als „ewiggestriger EU-Zentralist“ beschimpft. Lassen wir den komischen Aspekt beiseite, dass ein FPÖ Politiker andere als „ewiggestrig“ bezeichnet. Wird unser Land künftig als „Bürokraten-Österreich“ heruntergemacht, weil der Staat von Beamten organisiert wird? In der Brüssler EU-Kommission sind es rund 32.000 Menschen, die für die Verwaltung von noch 510 Millionen sorgen. Das ist manchmal zu kompliziert, manchmal auch zu detailliert. Aber die Ordnung für so viele Menschen in noch 28 Staaten kann nur zentral gesteuert werden.

Im EU-Wahlkampf wollen wir klare Aussagen

Die offiziell angestrebte Subsidiarität muss dazu führen, dass die kleineren Einheiten ihre Angelegenheiten ordnen können, die großen Themen aber nur gemeinsam zu bewältigen sind. Amazon, Facebook und Co sind nicht sehr beeindruckt von der österreichischen Digitalsteuer, von Strafen der EU-Kommission in Milliardenhöhe aber schon. Zentralistisch? Wenn die EU im Bereich der künstlichen Intelligenz noch mitreden will, brauchen wir gemeinsame Bestimmungen für die Kontrolle der Daten, zentral, nicht zentralistisch. Und schließlich wird die Verteidigung unseres Kontinents, gerade auch im Bereich von Cyber-Angriffen nur gemeinsam funktionieren.

Die Neos sind mutig genug, für eine stärkere EU einzutreten, Othmar Karas ist es auch, könnte aber mehr Unterstützung von seiner ÖVP brauchen. Sozialdemokraten wollen mehr gemeinsame Sozialpolitik, die Rechten verbergen ihren Wunsch der Zerstörung der EU hinter Floskeln wie „Zentralismus“. Es sollte ein spannender Wahlkampf werden.

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