EU ist fad? Diese Wahl wird es nicht

Ausgerechnet die populistischen Zerstörer machen das Europaprojekt wieder spannend.
Daniela Kittner

Daniela Kittner

In vier Wochen wählen wir ein neues EU-Parlament, seit die Osterferien vorüber sind, hat die Intensivphase des Wahlkampfs eingesetzt. Schon nach den ersten, wenigen Tagen wird klar: Fad wird dieser EU-Wahlkampf nicht.

Hierzulande sorgte wieder einmal die FPÖ für ordentlichen Wirbel, indem sie ihrer bereits stattlichen Liste von braunen Einzelfällen noch weitere hinzufügte. Inzwischen ist das Auftrumpfen rechtspopulistischer Gruppierungen nicht mehr nur eine Spezialität einiger weniger Länder – eine Zeit lang war es überhaupt Österreichs unrühmliches Alleinstellungsmerkmal. Ganz Europa kämpft mit Anti-EU-Populisten, meist von rechts, mancherorts auch von links.

Das Paradoxe daran: Es gibt auch eine positive Seite. Ausgerechnet die zerstörerischen Kräfte machen das europäische Projekt wieder spannend. Es ist wie mit einem gewohnten Möbelstück: Jahrelang steht es unbeachtet in der Wohnung, aber wehe, es geht ans Wegwerfen. Dann setzt reflexartig der Trennungsschmerz ein. So ähnlich beschreiben die Politikforscher der Bertelsmannstiftung anhand einer brandneuen Studie die Gefühlslage der Europäer (Bericht auf Seite 4). Die christ- oder sozialdemokratischen Parteien können bei ihren Mitte-Wählern kaum positive Gefühle wecken. Geht es aber darum, ein Zeichen gegen jene zu setzen, die die EU zerstören wollen, werden die Mitte-Wähler hellhörig und emotional.

Eine Stimmabgabe gegen (Rechts-)Populisten wird so gesehen zu einer Pro-EU-Deklaration, die es ohne die Bedrohung in dieser Form nicht gäbe. Die Gretchenfrage wird nur sein, wie das Verhältnis am Ende aussieht. Denn noch stärkere Emotionen hat die Studie im Lager der Populisten gemessen. So stellte sich unter den 2.000 befragten Österreichern heraus, dass die FPÖ mit 14 Prozent inzwischen mehr überzeugte Stammwähler hat als die ÖVP oder die Sozialdemokratie (mit jeweils rund zehn Prozent).

Gewagtes Match des Kanzlers

In Österreich ist zuletzt bei einer traditionell schlecht besuchten Wahl – der Arbeiterkammerwahl – die Beteiligung etwas gestiegen. Gut möglich, dass auch am 26. Mai etwas mehr als die 45 Prozent von 2014 ihre Stimme abgeben. Anders als das letzte Mal stehen sich ÖVP und SPÖ als Regierung und Opposition gegenüber, was in beiden Parteien die Mobilisierung erleichtert. Die einen rennen für ihren Kanzler, die anderen gegen Türkis-Blau.

Dabei wagt sich Sebastian Kurz auf ein traditionelles Gebiet der SPÖ: die soziale Gerechtigkeit. Mit der Präsentation der Steuerreform rund um die Maifeiern sucht der ÖVP-Chef die direkte Konfrontation mit den Sozialdemokraten um die Herzen von Klein- und Mittelverdienern – ein Match, das die ÖVP gegen die SPÖ bisher immer verloren hat.

Auch dieser innenpolitische Aspekt macht den EU-Wahlkampf eher delikat als fad.

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