Und kaum ein Bereich ist dermaßen vermintes Terrain, darf man hinzufügen. Wer sich für ein restriktives Reglement einsetzt, sieht sich schnell mit dem Vorwurf der Inhumanität konfrontiert. Und wenn es Politiker christdemokratischer Parteien sind, die solches fordern, werden zusätzlich Krokodilstränen über den Verrat von deren christlichen Wurzeln vergossen.
Es ist dies auch einer jener Politikbereiche, bei dem veröffentlichte und öffentliche Meinung besonders weit auseinanderklaffen. Eine Kluft, die ganz wesentlich zum Vertrauensverlust, unter dem klassische Medien leiden, beigetragen hat.
Dabei ist es ganz offensichtlich, dass die Migrationsströme aus Asien und Afrika massive politische, soziale, ökonomische – und: ja, auch kulturelle Verwerfungen mit sich bringen. Und man muss kein „Daham statt Islam“-Chauvi sein, wenn man sich in bestimmten Gegenden Wiens oder anderer österreichischer wie auch europäischer Städte nicht mehr daheim fühlt. Vorfälle wie jener in der ostfranzösischen Stadt Annecy (ein syrischer Flüchtling hat mit einem Messer Kinder teils lebensgefährlich verletzt) bestätigen nur aufs Neue ein weitverbreitetes Unbehagen.
Lange Zeit konnte man sich freilich des Eindrucks nicht erwehren, dass auch jene politischen Kräfte der bürgerlichen Mitte, die diese Problemlagen ansprechen, mehr rhetorische denn praktische Entschlossenheit zeigen (was freilich gereicht hat, um von den selbsternannten Hütern „europäischer Werte“ durch Sonne und Mond geschossen zu werden). Eine Folge davon war und ist der Zulauf zu den rechten Rändern, wo man von einer „Festung Österreich“ faselt.
Indes müsste eigentlich völlig unumstritten und klar sein, dass zwar eine solche Festungsphantasie absurd und auch für Österreich schädlich wäre; dass aber, wer möglichst viel Freiheit nach innen, innerhalb der EU, will, größtmögliche Sicherheit nach außen braucht. Wer nicht über seine Außengrenzen bestimmt, hat letztlich die Definitionshoheit über sich selbst aufgegeben. Ein Paradigmenwechsel ist hier dringend geboten. Wenn der gestrige Gipfel ein erster Schritt dorthin war, wäre es ein kaum hoch genug zu veranschlagender Erfolg.
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