Leider ist das ein globaler Trend, befeuert in den Echokammern der Sozialen Medien. Die Spaltung betraf und betrifft hierzulande viele Themen: die (jeweilige) FPÖ-Regierungsbeteiligung, den endlosen Präsidentschaftswahlkampf, das Phänomen Sebastian Kurz, die Corona-Impfung – und in steigendem Maße auch das Klimathema.
Der KURIER, seit Jahrzehnten bewusst „mittig“ positioniert (wo meist die Vernunft zu Hause ist), gerät oft genug ins Feuer von Rechts und von Links. Man betreibe so wie alle anderen primitive Schuldvermutung und „Kurz-Kannibalismus“ werden wir einerseits kritisiert. Wenn andererseits zum Beispiel Ex-Presse-Chefredakteur und Jurist Andreas Unterberger einen Gastkommentar mit Vorwürfen gegen Teile der Justiz auf der Debattenseite im KURIER schreibt („damit donnert die Demokratie gegen die Wand“), toben die Twitter-Tugendwächter, verschweigen aber bewusst, dass auf derselben Doppelseite Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl genau das Gegenteil meinte: Sie sprach von „radikalisiertem Konservativismus“ und bezeichnete die türkise Politik inklusive Kritik an der Justiz als Gefahr für die Demokratie. Zwei zugespitzte Meinungen ohne Anspruch auf Objektivität. Aber brächte es den mündigen Bürger weiter, immer nur dieselbe (eigene) Ansicht zu hören? Eine sehr laute Minderheit im politmedialen Komplex will alle zur Einheitsmeinung erziehen – und es wirkt: In Österreich wagt zum Beispiel so gut wie kein Experte mehr die Ungereimtheiten des Justizapparats (etwa die Verstöße gegen das Briefgeheimnis) zu kritisieren.
Dabei ist der Grat zwischen Gut und Böse oft recht schmal: So wurden im Burgtheater gerade die Chats der Kurz-Schmid-Freundesgruppe verlesen. Wirklich mutig wäre gewesen, eine Liste der Profiteure schwarzer Kassen in der Burg (inklusive Selbstanzeigen) aus der Ära Hartmann und davor auf die Bühne zu bringen.
Verzichten wir doch auf Selbstgerechtigkeit und freuen uns lieber, in keiner Diktatur zu leben. Meinung und Gegenmeinung ist das Wesen eines lebendigen Diskurses und der Demokratie. Daher muss totalitären Tendenzen, mit denen Privatpersonen, Politiker oder Medien so lange denunziert werden sollen, bis der Dreck an ihnen hängen bleibt, entgegengetreten werden. Auch dafür sind unabhängige Medien da. Sie lassen sich von niemandem den Mund verbieten. NZZ-Chefredakteur Eric Gujer empfahl dieser Tage, „der verbalen Verrohung Maß und Mitte entgegenzusetzen“. Das tun wir.
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