Empörung als Selbstzweck

Na, das kann ja heiter werden: In Niederösterreich koaliert Johanna Mikl-Leitner nun mit einer Rabiat-Partei, die sie diese Woche nicht einmal zur Landeshauptfrau gewählt hat. Gleichzeitig ist die SPÖ in einem atemberaubenden Selbstbeschädigungsprozess gefangen. Ausgang ungewiss. Lachender Dritter sind die Blauen, die neuerlich die Politikverdrossenen einsammeln. Pink und Grün bleibt die Zuschauerrolle. Daueraufgeregtheit ist zum Normalzustand in der heimischen politmedialen Landschaft geworden. Die üblichen Echauffierten sehen in vollkommener Übertreibung bereits den Faschismus heraufdräuen. Endlich können sie wieder mit dem Holzhammer auf eine schwarz-blaue Koalition eindreschen.
Was ist passiert? Drei FPÖ-Landesräte sitzen in der neuen Landesregierung. Wie übrigens schon davor einer – das ist der Proporzregierung im Bundesland geschuldet, eine der vielen österreichischen Seltsamkeiten. Selbst in der eisernen Hochburg der Sozialdemokratie, in Wien, hat die FPÖ einen "nicht amtsführenden Stadtrat", also polemisch gesprochen: sogar Geld für nix.
In Zusammenhang mit den Blauen herrscht überhaupt Vergesslichkeit. War es eine "bessere" FPÖ, die mit der SPÖ im Burgenland regiert hat? Wo waren damals SOS Mitmensch und die Omas gegen Rechts? Sobald die ÖVP nicht mehr mit den Blauen zusammenarbeitet, sind Liederbücher sowie Ibiza vergessen, das Lichtermeer ist verlöscht.
Und weil in der SPÖ angesichts des desaströsen eigenen Zustands gerade Kreisky-Nostalgie herrscht: Es war der "Sonnenkönig", der die Freiheitlichen mit einer Wahlrechtsreform begünstigt hat. Außerdem hat er selbst kurz mit Duldung der FPÖ samt dem ehemaligen Waffen-SS-Mann Friedrich Peter regiert.
Interessant ist auch zu beobachten, wie jetzt all jene, die Erwin Pröll einst für den politischen „Gottseibeiuns“ hielten, ihn nun heiligsprechen. Aber sind die blauen Regierungsbedingungen in Niederösterreich nicht tatsächlich kraus? Ja, eh. Aber hat sich jemand über den Verfassungsgerichtshof empört, als der Corona-Strafen aufhob – und die Oppositionsparteien Rückzahlung verlangten? Hat sich jemand über den flächendeckenden Schnitzelgutschein des Wiener Bürgermeisters beklagt?
Verbale Abrüstung tut not. Das Problem ist doch eher, dass ein Sozialpopulismus eingezogen ist, der vor keiner Partei haltmacht und den Eindruck erzeugt, man wolle die soziale Marktwirtschaft mit willkürlichen "Deckelungen" und schuldenfinanzierten "Einmalzahlungen" außer Kraft setzen. Der parteiübergreifende Verzicht auf wirtschaftliche Vernunft könnte für die Zukunft des Landes ein größeres Problem sein, als eine unschöne neue Landesregierung oder die Version einer Castingshow "Österreich sucht den roten Parteichef".

KURIER-Herausgeberin Martina Salomon
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