Heute feiern wir den 3. Adventsonntag, und er wird auch begangen, nämlich in Form von Ausflügen zu diversen Weihnachtsmärkten. Gedränge dort, Gedränge schon auf dem Weg dorthin, schöne besinnliche Zeit – und wundern Sie sich nicht, wenn Ihnen in der U-Bahn oder wo auch immer jemand seinen Rucksack in die Nieren rammt. Das ist das neue „Grüß Gott“ oder „Guten Tag“, je nach Geschmack. Verbunden damit ist immer, egal wie böse der Gerammte dreinschaut, die Verpflichtung, sich keinesfalls zu entschuldigen. Was haben denn die anderen im öffentlichen Raum verloren, wenn man selbst schwer sein Schicksal zu tragen hat? Die Welt gehört mir, schade nur, dass es nicht acht Milliarden Planeten gibt.
Aber nicht nur der rücksichtslose Bodycheck im Eishockey-Stil zählt mittlerweile zu den „Musts“ im neuen „Elmayer für Egoisten“, auch das Sitzenbleiben im Bus oder in der Straßenbahn, wenn ältere Mitbürgerinnen oder Mitbürger einsteigen und keinen Platz finden, gehört dazu. Sie können sich ja an ihrem Gehstock oder an ihrem Rollator festhalten – was kümmert uns das, wenn wir im schönsten Manspreading dort sitzen können und so dringend in unser Handy schauen müssen. Und wenn der Zug dann bei der nächsten Haltestelle stehen bleibt, ist eh klar, dass die neuen Fahrgäste sofort hinein stürmen und nicht zuerst andere aussteigen lassen.
Man grüßt einander im Lift nicht mehr, egal ob auf Wienerisch oder auf Niederösterreichisch, man drängt sich im Supermarkt an der Kassa vor. Und dass man jemandem Hilfe beim Tragen einer schweren Tasche anbietet, ist so was von 20. Jahrhundert. In Wien, wo man in Öffis noch Maske tragen muss, lässt man sich, wenn man keine aufhat, von niemandem darauf aufmerksam machen, sondern hustet den Aggressoren etwas. Und von der Kulturtechnik des korrekten Essens mit Messer und Gabel, geschweige denn davon, Damen in den Mantel zu helfen oder den Vortritt zu lassen, wollen wir am besten gar nicht sprechen. Auch das Thema angemessener Bekleidung lassen wir lieber aus.
Es ist traurig, aber viele Zeitgenossen, egal welchen Alters, kümmern sich heute nicht mehr im Geringsten um tradierte Verhaltensregeln oder gar um konstruktive Kommunikation. Um ihre kurzfristigen Ziele durchzusetzen, sind ihnen die Bedürfnisse anderer egal. Es geht um das eigene Vorwärtskommen, was die anderen von einem selber denken, spielt keine Rolle. So endet dieser Leitartikel doch, wie er begonnen hat: bei Schengen.
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