Eine neue Biederkeit ist ins Land gezogen

Martina Salomon

Martina Salomon

Technischer Fortschritt, Handel, internationale Konzerne: alles urböse!

von Dr. Martina Salomon

über die Globalisierungskritik

Oh nein, vom Chef der Deutschen Bank wollen wir wirklich nicht über die Vorzüge der Globalisierung belehrt werden. John Cryan ist einer von 48 Unterzeichnern eines offenen Briefs, der vor Protektionismus warnt. Leider hat die Bank bei der vorletzten Finanzkrise aber alles andere als gute Figur gemacht.

Dennoch ist die Botschaft wahr. Es ist in Vergessenheit geraten, aber die Vorteile der Globalisierung überwiegen. Wir verdanken ihr das Verschwinden der Hungersnöte in Europa, Lebensmittel sind nicht nur verfügbar, sondern auch so billig wie nie. Selbst die Mittelschicht kann sich Reisen leisten, von denen die Großeltern nicht einmal geträumt haben. In China wurden 700 Millionen Menschen aus bitterster Armut geholt. Auch für Afrika ist nicht Entwicklungshilfe, sondern internationaler Handel (aber auf Augenhöhe) die einzige Chance. 1990 lebten noch zwei Drittel der Afrikaner in Armut, heute nur noch ein Drittel, erzählte Afrika-Experte Hans Stoisser kürzlich bei den Medientagen Lech. "Die warten dort, dass wir mit ihnen zusammenarbeiten." (Wobei es sich viele daher auch erstmals leisten können, ins gelobte Europa zu flüchten, wo aus ihrer Sicht Milch und Honig fließen.)

Doch im reichen Westen ist man unzufrieden: technischer Fortschritt, Handel, internationale Konzerne: alles urböse! Eine neue Biederkeit ist ins Land gezogen. Man radelt zum Bio-Greißler, fürchtet sich vor Gluten im Brot, Anglizismen in der Zeitung und Wettbewerb in jeder Form, außer beim Skifahren (und da waren wir auch schon besser).

Das "Cocooning" – schon in den Achtzigerjahren prognostiziert – ist jetzt da. Man fühlt sich von der Globalisierung bedroht: Schließlich vernichtet sie niedrig qualifizierte Jobs, verhagelt eingesessenen Firmen das Geschäft und macht es Weltkonzernen einfach, möglichst wenig Steuern zu zahlen. Das erzeugt verständlicherweise Zorn. Aber nicht an allen Problemen ist die Globalisierung schuld, manchmal hat ein jammernder Firmenchef ganz einfach den Zug der Zeit verschlafen.

Frei, aber auch fair

Immerhin wird im offenen Brief zugegeben, dass die Märkte nicht nur frei, sondern auch fair und transparent sein sollten. Aber wer sorgt dafür? (Und beginnt nicht sogar innerhalb Europas gerade wieder ein neuer Wettlauf um die niedrigsten Unternehmenssteuern?) In den Industrieländern haben jene Politiker – linke wie rechte – Zulauf, die Abschottung versprechen.

Aber gerade in Europa sollte man sich um eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und zum Beispiel um überregionale Spitzenforschung und internationale Firmen bemühen. Auf Dauer lässt sich der hohe Sozialstandard auf unserem Kontinent nur verteidigen, wenn wir im internationalen Wettbewerb bestehen können.

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