Eine EU, die schützt - zuallerst vor dem Selbstmord Europas

Jetzt gehört auch Italien den Nationalisten. Gefordert sind jetzt Vermittler und keine Fans, Herr Strache!
Josef Votzi

Josef Votzi

Hinter seinem Namen steht eine jahrhundertelange Familiengeschichte. Karel Schwarzenberg ist auch glühender Europäer mit Weitblick. Im KURIER zeichnete er dieser Tage ein düsteres Lagebild der EU: „Wenn es keine Reform gibt, dann wird Europa zugrunde gehen. So wie das alte Österreich: Der Wohlstand ist gewachsen, es war ein Rechtsstaat. Aber durch die Reformunfähigkeit ist es auseinandergefallen, hat Selbstmord begangen.“ Wenn ein Grandseigneur derart Alarm schlägt, wäre das Grund genug für eine breite Debatte.

In Österreich regiert eine Haltung, die nur originell klingt: „Net einmal ignorieren“. Daran können selbst alarmierende Fakten nichts ändern. In Italien wird ein Euro-Gegner zum Europaminister gemacht. Der Kanzler gratulierte derweil auf Twitter der dänischen Regierung zum Burka-Verbot – nach Frankreich und Österreich setzt ein Land mehr ein symbolisch wichtiges Zeichen. Aber was ändert das an der lebensbedrohlichen Auseinandersetzung innerhalb der EU? Die Fraktion der glühenden Nationalisten erhält mit Italien einen Big Player, der sie endgültig aus dem Visegrád-Schmuddeleck führen könnte.

In vier Wochen übernimmt Österreich die EU-Präsidentschaft. Wichtigster Job: Ehrlicher Makler im Ausgleich der widersprüchlichen Interessen. Die bisherigen Signale sind allein Wasser auf die Mühlen der Nationalisten: ein Europa, das vor noch mehr Flüchtlingen schützt.

Für Blau bleibt Brüssel ein SchreckgespenstHinter den Kulissen erkennen heute auch Gegner an: Sebastian Kurz hat in der Asylkrise 2015 eine tragende Rolle als Eisbrecher für eine realistische Flüchtlingspolitik gespielt. Auf den EU-Bühnen wurden weiter unverdrossen Asyl-Quoten propagiert, obwohl das EU-Gros nichts davon wissen wollte. Hätten die Quoten-Prediger die Oberhand behalten, hätten heute in noch mehr EU-Staaten brandgefährliche Nationalisten das Sagen.

2018 geht es freilich primär um ein Europa, das sich – frei nach Karel Schwarzenberg – vor dem Selbstmord schützt. Und da braucht es mehr als ein Remake von Initiativen zur rechtzeitigen Abdichtung der Balkanroute gegen neue Flüchtlingsströme. Eine EU, die schützt, braucht auch nicht noch mehr Kleinstaaterei, das Beharren auf Vetorechten und eine Abkehr von der Reisefreiheit, wie sie FPÖ-Chef Strache propagiert.

Ein lupenreines Bekenntnis zum Freiheits- und Friedensprojekt EU steht zwar im Koalitionspakt. Im Regierungsalltag kommt die EU aber nur als bedrohliches Gegenüber vor, das es in die Schranken zu weisen gilt. Als geldgieriger Moloch in Sachen EU-Budget: Kein Cent mehr nach Brüssel. Als unverlässlicher Geselle beim Grenzschutz: Frontex, ein „Schlepper“.

Die EU ist auch Jahrzehnte nach ihrer Gründung unvollendet – Dauerbaustelle, Stückwerk, aber alternativlos. Die Profiteure und Baumeister der Unvollendeten sitzen aber nicht im bösen Brüssel, sondern in Berlin, Paris, Rom, Warschau, Budapest – und ab sofort auch als geschäftsführende „EU-Präsidenten“ in Wien.

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