Ein Fall für einen U-Ausschuss

ARCHIVBILD / THEMENBILD: JUSTIZPALAST
Die Kritik an Missständen in der Justiz ist so massiv, dass sich die Ministerin nicht länger einfach wegducken kann.
Rudolf Mitlöhner

Rudolf Mitlöhner

Der Herr Bundespräsident ist immer wieder besorgt. Und wenn das der Fall ist, wendet er sich via ORF „an die Österreicherinnen und Österreicher und alle Menschen, die in Österreich leben“, um mit ihnen diese Sorge zu teilen.

Das war etwa so nach den Hausdurchsuchungen Anfang Oktober letzten Jahres, die zum Ende der Regierung Kurz führten.

Auch nach der Veröffentlichung eines – äußerst fragwürdigen – Pressefreiheitsrankings hat sich Alexander Van der Bellen (allerdings nicht in Form einer Ansprache) zu Wort gemeldet: „Das muss uns eine Warnung sein“, befand der Bundespräsident; und, weil Österreich von Rang 17 auf Rang 31 „abgestürzt“ war: „Diese Tendenz muss nicht nur gestoppt, sie muss umgekehrt werden.“ Österreich ist da in einer Gruppe („zufriedenstellend“) mit den meisten westlichen EU-Ländern und Nordamerika, aber auch mit einigen afrikanischen und lateinamerikanischen Ländern; Namibia und Argentinien schneiden besser ab, aber immerhin, wir sind nicht Nordkorea – danke, Ranking! …

Nun aber hat die scheidende Rechtsschutzbeauftragte der Justiz, Gabriele Aicher, mit einem Interview in der Presse aufhorchen lassen. Es ist eine einzige Abrechnung mit den Zuständen im Justizwesen und der dafür verantwortlichen Ministerin Alma Zadić. „Ich will nicht arbeiten unter den derzeitigen Bedingungen, dass Abschusslisten geführt werden, dass man Angst haben muss, überwacht zu werden, wegen irgendwelcher Dinge angezeigt und angeklagt zu werden wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses oder so: Das ist einfach unerträglich“, sagt sie da. Und dass es ihr nicht möglich war, den Grundrechtsschutz der Beschuldigten durchzusetzen, „ohne persönlich angegriffen zu werden“. Die Schuld dafür weist sie ausdrücklich Zadić zu.

Diesmal hat man aber kein „Was ist denn jetzt schon wieder passiert?“ aus der Hofburg vernommen, keine „Warnung“, diese Entwicklungen „umzukehren“. Um nicht missverstanden zu werden: Natürlich muss nicht (alles) stimmen, was Aicher sagt. Aber aufgrund ihrer Funktion und der damit verbundenen Kenntnis ist sie gewiss niemand, deren einschlägige Wortmeldungen (es war nicht die erste) man einfach übergehen könnte. Zumal das wirklich schweres Geschütz ist, das sie da auffährt: Wenn das (auch nur partiell) stimmt, dann haben wir ein echtes Problem. Eines, das mindestens so sehr nach einem U-Ausschuss verlangt, wie alles rund um Ibiza ff.

Jedenfalls kann und wird es nicht mehr reichen, dass Zadić sich wegduckt, Vorwürfe einfach zur Kenntnis nimmt oder zurückweist – und sich zur Garantin einer „unabhängigen Justiz“, die – endlich, endlich – ungestört arbeiten könne, stilisiert. Auch wenn zweifellos das Wohlgefallen des Bundespräsidenten auf ihr ruht.

mitloehner.jpg

Kommentare