Die Kanzlerpartei seit 15 Jahren hat ein dreiviertel Jahr vor dem großen Wahlgang weder einen neuen Parteivorsitzenden – obwohl Angela Merkel das Amt schon vor zwei Jahren zur Disposition stellte. Sie hat dementsprechend auch keinen Kanzlerkandidaten – und in ein paar Monaten möglicherweise einen, der gar nicht aus ihren Reihen kommt.
Das macht aus vielerlei Gründen bang.
Man muss nicht lange nach dem Warum fragen. Ränke um Parteichefs, Kanzler und ihre Nachfolge haben in Deutschland Tradition. Helmut Kohl, der Kleiderschrank aus der Pfalz, ist in seiner Anfangszeit verlacht worden. Gerhard Schröder musste Giftpfeile Oskar Lafontaines und anderer abwehren. Und Angela Merkel hat in ihren Anfangsjahren vor allem damit zu tun gehabt, Konkurrenten, die sie schnell beerben wollten, mit beispielloser Kaltschnäuzigkeit abzusägen.
Sie wurde eine große, wenn auch nicht fehlerfreie Kanzlerin. Und hat bei der Bestallung ihres Erbes versagt. Die von ihr auserwählte Annegret Kramp-Karrenbauer war zu schwach, solche Ränke abzuwettern (und Merkel ihr keine Unterstützung).
Die drei Nachfolgekandidaten – und da sind wir beim „bang“ –, von denen einer im Jänner aus dem Parteitagshut springen soll, sind kein Versprechen für die Zukunft: Friedrich Merz, Armin Laschet, Norbert Röttgen, selbstverliebt der eine, blass die anderen, man mag und kann sich keinen im Kanzleramt vorstellen. Auch wenn man, siehe Merkel, im Amt schnell wachsen kann.
Und wenn die Partei dann einen Vorsitzenden haben wird und sich tatsächlich tollkühn an Markus Söder wenden sollte, als Kanzlerkandidat der Union ins Rennen zu gehen, dann sind wir beim nächsten „bang“: Der bayerische Haudrauf als Lenker in Europa? Das ist für den politischen Wandlungskünstler dann doch eine Nummer zu groß.
Aber um nichts weniger als um Europa geht es. Die Verlässlichkeit und Konstante in unruhiger Zeit, der Garant gegen die Erosion der europäischen Werte, die Lokomotive, die zieht und auf Schienen bleibt, wenn politische Hasardeure in Europa an den Gleisen rütteln – das war Angela Merkel eineinhalb Jahrzehnte lang. Das Humpeln um ihre Nachfolge macht wenig Mut, was die Orientierung danach betrifft.
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