Daher muss es dabei natürlich letzten Endes auch um die Neutralität gehen. Auch wenn das der Bundeskanzler, die Verteidigungsministerin, die SPÖ, die FPÖ und auch die Grünen nicht wollen. Auch wenn 90 Prozent der Österreicher an der Neutralität festhalten und 75 Prozent jedenfalls nicht in die NATO wollen. Aber man muss der Bevölkerung, bevor man sie befragt, reinen Wein einschenken – und das heißt: Die Neutralität schützt uns nicht vor einem Angriff. Außerdem sind wir nicht neutral. Wir sind es nicht, was unser Verhalten bei den Sanktionen betrifft. Wir sind es aber auch nach den rund zehn Zeilen des Bundesverfassungsgesetzes über die immerwährende Neutralität aus 1955 nicht. Dort steht nämlich auch für Nicht-Juristen leicht verständlich: Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen.
Wer nun ernsthaft behauptet, wir wären aktuell in der Lage, uns selbst zu verteidigen, darf mangels Ernsthaftigkeit aus der Diskussion ausgeschlossen werden. Und selbst wenn wir daran glauben, dass jetzt über viele Jahre die Militärausgaben angehoben werden, wissen wir, dass die Waffensysteme erst in vielen Jahren einsatzbereit sind. Dass wir uns immerwährend nun auf einen Beistand der EU-Partner im Verteidigungsfall verlassen, ohne dafür zu zahlen, ist billiges Trittbrettfahren.
Nein, das heißt nicht, dass wir im Blindflug der NATO beitreten und sofort die identitätsstiftende Neutralität aufgeben sollen. Unsere Situation ist nicht mit Finnland und Schweden vergleichbar. Wir haben keine Außengrenze zu Russland. Wir haben die Neutralität 1955 der UdSSR zugesagt, um eine Teilung Österreichs zu verhindern. Und damit dem Osten unseres Landes jahrzehntelange kommunistische Herrschaft erspart. So etwas schmeißt man nicht einfach weg. Auch beim EU-Beitritt wurde sensibel mit Moskau verhandelt.
Aber es heißt, dass wir intensiv, abwägend, aber auch mutig über unsere Sicherheitslage diskutieren und streiten sollten. Das gilt auch für Politiker, die angesichts der auf den ersten Blick überwältigenden Mehrheit für das Festhalten an der Neutralität lieber nicht am Thema anstreifen wollen. Und da wäre ein richtungsweisendes Wort des Bundespräsidenten als Oberbefehlshaber des Heeres nötig. Auch wenn der selbst vor einer Wahl steht, über die er uns bisher im Dunkeln tappen lässt.
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