"Die Zeitzeugen sind unsterblich"

Jugendliche zeigen im Parlament und in Mauthausen, was zeitgemäße Erinnerungskultur leisten kann.
Margaretha Kopeinig

Margaretha Kopeinig

96-Jährige erzählen über das Monströse – die ideologisch geplante und bürokratisch betriebene Vertreibung, Folter, Entmenschlichung und Ermordung von Frauen, Männern und Kindern.  Schüler hören gebannt zu und scheinen den Atem anzuhalten, wenn Überlebende des Holocaust ihre Erfahrungen schildern. Diese Begegnungen, hautnah und authentisch, wird es nicht mehr lange geben.

Wir stehen vor der Herausforderung, eine Erinnerungskultur zu schaffen, die schon bald ohne Zeitzeugen auskommen muss. Der international anerkannte deutsche Historiker und Experte  für  Antisemitismus und NS-Forschung, Wolfgang Benz, ist zuversichtlich: „Zeitzeugen sind in gewisser Weise unsterblich“, sagt er, da ihre Erinnerungen in Büchern, Filmen, Interviews  und Audiobotschaften festgehalten sind. Es bedarf nur engagierter Lehrer und Politiker, die diese Dokumente zum Leben erwecken. Den beeindruckenden Beweis, wonach Benz recht hat,  lieferten junge Menschen bei der Gedenkveranstaltung des Parlaments am Freitag. Sie informierten über Opfer des Faschismus, lasen Texte von Überlebenden vor –  überzeugend und ergreifend. Am Sonntag zeigten Jugendgruppen der Israelitischen Kultusgemeinde in Mauthausen  was zeitgemäßes Erinnern ist. Auf diese Generation kann Österreich stolz sein, und es muss sie fördern.

Auch 73 Jahre nach Auschwitz ist das Böse nicht weg, es ist immer noch da. Das sollte die Erkenntnis bei den Gedenkveranstaltungen in diesem Jahr sein. Kränze und Reden sind wichtig, aber wenn sich der Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus auf  diese Rituale verengt, sind sie bedeutungslos. Erinnern, was war, ist die demokratische Investition in die Zukunft.

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