Die unheimliche Lust am Weltuntergang
Wir wünschen uns weniger Streit, spotten aber über den Kuschelkurs von Türkis-Blau.
Können uns die Koalitionsverhandler irgendetwas recht machen? Eigentlich nicht. Wir wünschen uns neue Köpfe in der Politik, kritisieren aber, dass die Alten gehen mussten. Wir wollen alte Strukturen über Bord werfen, ängstigen uns aber vor deren Zerstörung. Wir finden, es müsse mehr gespart werden, schreien aber auf, wenn es uns selbst trifft. Wir haben die Nase voll von der großen Koalition, halten aber alles andere für problematisch. Wir wünschen weniger Streit, spotten aber über den Kuschelkurs von Türkis-Blau.
Wird diese Koalition schnell gebildet, werden wir Oberflächlichkeit vermuten. Dauert es lang, erwarten wir ein Scheitern. Schmeißt einer das Handtuch, werden wir seine Verweigerung anprangern. Drücken die Parteien ein Regierungsprogramm auch gegen Widerstände durch, wird ihnen Machtgeilheit vorgeworfen. Zeigen sie sich kompromissbereit, sagt man ihnen mangelndes Rückgrat nach. Wird die neue Regierung aus mehr Ministerien bestehen, werden wir ihre Verschwendungssucht kritisieren. Verringert sie die Zahl der Ministerien, wird man ihr vorwerfen, die eingesparten Ressorts nicht ernst zu nehmen.
Bei Koalitionsverhandlungen kann man eigentlich nur verlieren, und Türkis-Blau steht noch schärfer unter Beobachtung. Die Untergangspropheten sind schon eifrig unterwegs. Aber die Blauen sind diesmal besser vorbereitet als bei Schüssel I, wenn auch seltsame Einzelaktionen nie ausgeschlossen sind. Die Türkisen sind unerfahrener als die einstigen Schwarzen: Das ist gut, weil es Veränderung einfacher macht – und schwieriger, weil es in der Politik Profis braucht. Warten wir ab – ohne gleich tief(blau)schwarz zu sehen.
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