Die Schnittmenge ist gar nicht so klein

Zwischen Rot, Schwarz und Blau herrscht mehr Übereinstimmung, als es auf den ersten Blick scheint.
Martina Salomon

Martina Salomon

Rot und Schwarz sind wie Blau für eine radikale Eindämmung des Flüchtlingszustroms.

von Dr. Martina Salomon

über die Inhalte im Wahlkampf.

Derzeit wird aus allen Parteikanonen geschossen. Aber hinter dem rhetorischen Pulverdampf schimmern etliche Gemeinsamkeiten durch. Nicht unbedingt bei den Spitzenkandidaten – besonders Christian Kern und Sebastian Kurz eint ja herzliche Abneigung gegeneinander – aber inhaltlich.

Beispiel Ausländerpolitik: Zwischen Kurz und dem roten Verteidigungsminister Doskozil scheint da kein Blatt Papier zu passen, wie ein Standard-Doppelinterview zeigt. Rot und Schwarz sind wie Blau für eine radikale Eindämmung des Flüchtlingszustroms. Rechtlich ist das möglich. Wenn nämlich Dublin nicht außer Kraft gesetzt ist, dann können auf legalem Weg gar keine Flüchtlinge kommen, weil sie in jenem EU-Land Asyl beantragen müssen, in dem sie zuerst landen. Und wenn die Genfer Flüchtlingskonvention noch gilt, dann ist weder Krieg noch wirtschaftliche Not ein Fluchtgrund, sondern nur bewiesene persönliche Verfolgung aus klar definierten Gründen. Asyl selbst bedeutet in der Theorie auch nicht lebenslanges Bleiberecht, sondern Schutz auf Zeit – plus Rückkehr, wenn sich die Lage daheim entspannt hat. Keine Aussicht auf Verwirklichung hat die einsame FPÖ-Forderung, die Flüchtlingsunterstützung auf Sachleistungen zu reduzieren.

Wahl-Voodoo

Beispiel Steuerentlastung: Rot, Schwarz und Blau finden, dass die Steuerquote weiter – auf 40 Prozent – gesenkt werden muss. Bei einem Durchschnittsgehalt (inklusive Arbeitgeberbeiträge) fließt fast jeder zweite Euro an den Staat. Aber wer schafft es, die Ausgaben zu senken oder neue Einnahmen zu lukrieren? Da geistert ein Potenzial zwischen 6,5 (SPÖ), 14 Milliarden (ÖVP) und noch mehr ( FPÖ) herum. Theoretisch möglich, praktisch schwer, denn das erfordert Mut: Welches Spital schließen wir, wem nehmen wir Subventionen weg, wo kürzen wir beim (kündigungsgeschützten) Verwaltungspersonal, und wie sagen wir es dem Bürger, dass er länger arbeiten muss? Nur bei den Grünen findet der SPÖ-Wunsch nach Erbschafts- und Vermögenssteuer Unterstützung. Und selbst wenn das in ein Koalitionsprogramm einfließen würde, wäre es fraglich, ob so viel Geld hereinkommt wie behauptet.

Noch mehr Voodoo (bei allen Parteien) ist beim Punkt "Steuerfluchtrouten schließen" drin. Die Bemühungen der amtierenden Regierung haben dazu geführt, dass heimische kleine und mittlere Unternehmen unter Betrugsverdacht gestellt wurden. Doch der "Ertrag" für den Staat war mäßig, die Verärgerung maximal. Die wirklich großen internationalen Konzerne nutzen legale, von EU-Staaten eingerichtete Steueroasen. Relativ wenig hört man hingegen zum Thema Schule, auch wenn offenbar allen klar ist, dass der Hut brennt.

Angesichts der erwarteten Mehrheitsverhältnisse hilft es ohnehin nichts, wenn sich die Parteien vor der Wahl einbetonieren. Der absurde Mauerbauversuch vorm Kanzleramt könnte da als ungewolltes Mahnmal dienen. Für allfällige Koalitionen braucht es Schnittmengen zwischen den Parteiprogrammen. Wer genauer liest und auf Zwischentöne hört, merkt: Es gibt sie.

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