Die Ökonomie des Sozialen

Martin Schenk

Martin Schenk

Österreich liegt mit seinen Sozialdienstleistungen unter dem EU-Durchschnitt

von Martin Schenk

über "Social Investment"

Sie betreuen und fördern kleine Kinder. Sie pflegen und unterstützen alte Menschen. Sie beraten und helfen Familien in Krisen. Sie tragen zur wirtschaftlichen Entwicklung bei. Der Sozial- und Gesundheitssektor erarbeitet fünf Prozent der gesamten wirtschaftlichen Leistung in Europa. Die Zahl der Beschäftigten stieg hier in den letzten zehn Jahren um 4,2 Millionen Menschen. Das ist ein Viertel des gesamten Beschäftigungszuwachses in der EU. Das hat jetzt auch die EU-Kommission aktiviert. In einer eigenen Empfehlung für ein „social investment package“ fordert sie die Mitgliedsstaaten auf, in soziale Dienstleistungen zu investieren.

Leistungskraft

Betrachtet man allein den gesamten Non-Profit-Sektor ergibt das eine beachtliche Leistungskraft. Das Hilfreiche hier: jeder verdiente Euro wird von gemeinnützigen Organisationen wieder für Neues reinvestiert. Investiert man eine Million Euro in Kindergärten, schafft man 14 bis 15 Vollzeitarbeitsplätze anderswo. Dieser Multiplikatoreffekt kann sich sehen lassen: Die Stromwirtschaft weist ein Beschäftigungsvielfaches von 13 auf, der Bausektor von 11. Österreichische Non-Profit-Organisationen haben in einem Jahr – ohne Einbeziehung von ehrenamtlicher Arbeit – 5,9 Milliarden Euro an Bruttowertschöpfung erwirtschaftet. Untersuchungen zum Social Return on Investment (SORI) zeigen, dass ein investierter Euro in die soziale Arbeit Wirkungen im Wert von bis zu 10,2 Euro bringt. SORI-Werte zwischen mindestens 2,5 bis 4,5 sind der Normalfall. In der Frühförderung beispielsweise entspricht ein investierter Dollar einer Rendite von 8 Dollar, hat Nobelpreisträger James Heckmann für die USA errechnet. Bei benachteiligten Kindern beträgt sie sogar 16 Dollar, also einer Hebelwirkung von 1 zu 16. Den Kinder in den Sozialprogrammen ging es im ihrem späteren Leben einfach besser: weniger kriminell, weniger arbeitslos, bessere Bildung, persönlich stabiler. Nach Schätzungen der Bildungswissenschaften würde sich das jährliche Wachstum des Bruttosozialprodukts in Österreich um einen halben Prozentpunkt erhöhen, wenn sich der Anteil der Schulabgänger mit geringen Lesekompetenzen auf null reduziert. Oder die Schuldenberatung: Jeder Euro, der in die Schuldenberatung investiert wird, bringt der Gesellschaft einen Gegenwert von 5,3 Euro. Das sind für ganz Österreich positive Wirkungen im Umfang von 60 Millionen Euro. „Zunehmende Ungleichheit schwächt die Wirtschaftskraft eines Landes, sie gefährdet den sozialen Zusammenhalt und schafft politische Instabilität – aber sie ist nicht unausweichlich“, so OECD-Generalsekretär Angel Gurria. Nichtstun kostet und kommt uns teuer. Österreich liegt mit seinen Sozialdienstleistungen unter dem EU-Durchschnitt. Hier gibt es viel ungenütztes Potenzial, das wir nicht brachliegen lassen sollten.

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