Die neue Welt – und wo ist Europa?
Die Welt steht seit Monaten im Banne zweier Führer:
Der eine lenkt das bevölkerungsreichste Land der Erde und ist mitverantwortlich dafür, dass der Rest der Welt unter einer Jahrhundert-Pandemie fast in die Knie geht: Xi Jinpings Regime hat das Auftauchen des Coronavirus vertuscht und seine Verbreitung befördert. Davor war die Erziehungsdiktatur China dabei, die Welt zu kolonialisieren: durch wirtschaftliche Kraft und politischen Druck. Nach Corona ist der chinesische Drache nur noch stärker, weil die anderen geschwächt sind.
Der andere lenkt seine Präsidentschaft in Richtung Wiederwahl – oder auch nicht. Weil sich der Rückenwind der Wirtschaft in Luft aufgelöst hat. Daneben polarisiert Donald Trump daheim gnadenlos, während er dem Rest der Welt in sagenhafter Unorientiertheit mit dem Stellwagen ins Gesicht fährt. Nicht, dass seine Vorgänger an der Spitze der Ordnungsmacht USA nicht Fehler begangen hätten – unter dem erratischen Präsidentendarsteller Trump aber ist die Ordnung der Welt im Wanken.
Und dann gibt es noch Wladimir Putin.
Der Ex-Geheimdienstler hat zur Millenniumswende die Macht in Russland übernommen und seither drei chinesische und vier US-Präsidenten "verbraucht". Und er schickt sich an, durch Verfassungsänderung ein Zar auf Lebzeiten zu werden. "Putin navsgeda", für immer.
Dass sich – auch Corona-bedingt – Unmut im russischen Reich artikuliert, fällt kaum ins Gewicht. Putin hat die "gelenkte Demokratie" erfunden, und die knebelt Medien, NGOs und Regimekritiker gnaden- und für das Regime folgenlos. Sonst hilft der Außenfeind: Die Ukraine, der man die Krim entriss; finstere Mächte in Syrien, denen man an der Seite Assads entgegentritt; und dann noch ein bisschen Wahlbeeinflussung im Westen, Hilfe für Europa-zersetzende Rechtspopulisten, Fake news und Cyberwar.
Apropos Europa: Der alte Kontinent kommt in dieser neuen Welt nicht vor. Ein paar Sanktionen gegen Putin, aber den Russen nur nicht zu sehr verärgern; Staunen über Trump, aber was soll man tun; und wie das Kaninchen vor der Schlange sitzt man vor China – wer weiß, den Handel mit der Weltmacht Nr. 1 bald wird man noch brauchen. – Nur gemeinsam kann man angesichts der Herausforderungen aus Fernost, Nahruss und Amerika bestehen? Ja eh, nur: Europas Staatenlenker schaffen’s nicht. Und hört nur jene Populisten und Kommentatoren, die frei von jeglicher Weltsicht einer Stärkung der Nationalstaaten das Wort reden.
So wird die Welt eine tri-polare bleiben – physikalisch unmöglich zwar, aber: Die USA und China dominieren in der Wahrnehmung; und Wladimir Putin wird noch ein paar Präsidenten "schnupfen" und ein Weltgewicht bleiben. Eines, von dem Europa nicht einmal träumen kann.
Kommentare