Corona: Die nächste unangenehme Wahrheit

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Wir behandeln nur die Symptome, nicht die Ursachen der Corona-Krise, warnt die UNO. Da geht es einmal mehr um die Zerstörung der Natur

2006 erschien ein Film von und mit dem ehemaligen demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten Al Gore, in welchem er erstmals einer breiten Öffentlichkeit die Klimakrise und deren horrenden, langfristigen Auswirkungen näher brachte. Bewirkt hat der Film über diese „unangenehme Wahrheit“ („An Inconvenient Truth“) speziell in den USA nur wenig, sind die Amerikaner doch die bisher einzige Nation, die aus dem Pariser Klimaschutzabkommen ausgestiegen sind.

Die Klimakrise ist durch die Corona-Krise fast vollständig in den Hintergrund gerückt, obwohl sie unverändert bedrohlich ist. Interessant ist, dass die beiden Bedrohungen letztlich einen ähnlichen Hintergrund haben: Es geht um unser Verhältnis zur Natur. Bei der Klimakrise geht es um eine vom Menschen verursachte Zunahme der Konzentrationen von Treibhausgasen wie Kohlendioxid, bei der Corona-Krise um immer häufiger auftretende gefährliche Zoonosen (aus dem Altgriechischen für Tier und Krankheit), also Krankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden.

In einer neuen Studie des Umweltbüros der Vereinten Nationen kommen die Forscher zum Schluss, dass wir im Kampf gegen das Coronavirus letztlich nur die Symptome bekämpfen, nicht aber die Ursache. Die Symptome sind etwa die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen, die Ursachen liegen aber in der fortschreitenden Zerstörung der Ökosysteme und in der Massentierhaltung.

„Wenn wir weiter Ökosysteme ausbeuten und zerstören, müssen wir mit einem kontinuierlichen Anstieg von Krankheiten rechnen, die von Tieren auf Menschen übertragen werden“, sagt die Chefin des UN-Umweltbüros, Inger Andersen. Da muss sie gar nicht erst aufzählen, was alles kürzlich an Zoonosen übertragen wurde: Das Ebolavirus (erstmals 1976) stammt von Affen, Flughunden oder Antilopen. SARS (seit 2002) dürfte von Schleichkatzen übertragen werden, MERS (2012) von Fledermäusen. Das neue Coronavirus stammt von Fledermäusen oder Gürteltieren ab, und ganz neu ist ein Ausbruch der Beulenpest in der Mongolei, wahrscheinlich durch Murmeltier-Bakterien.

Aber was heißt das für uns? Was sollen wir daraus lernen?

Die Forscher haben der Politik zehn konkrete Handlungsanweisungen mitgegeben, da geht es etwa um Kostenwahrheit bei der Nahrungsmittelproduktion, das Ende für nicht-nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken und eine fokussierte Erforschung der neuen Bedrohungen. Spannend ist der Ansatz „One health“, frei übersetzt mit „Gesundheit für alle“, die gleichermaßen die Gesundheit von Menschen, Tieren und der Umwelt als neue Doktrin propagiert.

Neu sind die Erkenntnisse alle nicht, aber weil das wieder so eine „unbequeme Wahrheit“ ist, tun wir uns offensichtlich so schwer, darüber überhaupt laut nachzudenken.

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