So träumte man sich zum Beispiel in Österreich jahrzehntelang auf eine Insel der Seligen, auf der uns die sprudelnde Wasserkraft unabhängig von Teufelszeug wie Atomkraft machte. Nun sind wir mit der bitteren Erkenntnis aufgewacht, dass Wasserkraft nur etwas mehr als die Hälfte des heimischen Strombedarfs deckt. Wir haben auch gelernt, dass die Wiener Fernwärme leider nicht aus der Müllverbrennung gespeist, sondern zu 60 Prozent mit Gas erzeugt wird. Unser hoher Wohlstand fußte zu einem großen Teil auf dem billigen russischen Rohstoff. Vor allem in den Wintermonaten ist Österreich auf Energie-Importe angewiesen – auch auf Atomstrom.
Im Rückblick verliert auch der zur grünen Heldensage stilisierte Kampf gegen das Kraftwerk Hainburg an Glanz. Nicht nur, weil die Energie daraus jetzt hilfreich wäre, sondern auch, weil damit die zunehmende Eintiefung der Donau in diesem Abschnitt verhindert hätte werden können. Nun muss – worauf die Baugewerkschaft damals hinwies – regelmäßig um viel Geld Schotter in den Fluss gekippt werden. Nachhaltig? Naja. Und Hand aufs Herz: Wer kannte vor einem halben Jahr den Begriff „Merit Order“, geschweige denn verstand das komplizierte Regelwerk, mit dem der Strompreis in der EU ermittelt wird? Ein bis dahin vernünftiges und jetzt falsches Instrument. Die EU wird sich kommende Woche damit beschäftigen.
Bis vor ein paar Tagen hätte man sich auch nicht sonderlich mit dem Thema „Margins“ beschäftigt (Sicherheiten, die von einem Unternehmen bei einem Geschäft an der Börse hinterlegt werden müssen). Der Fall der Wien Energie zeigt wieder einmal, wie wichtig die Vermittlung von Finanzwissen schon in der Schule ist. Damit man bei „Termingeschäft“ oder „Leerverkäufe“ nicht Bahnhof versteht.
Wenn der kecke Spruch „Mei Wien is net deppert“ wirklich stimmt , dann ist das stadteigene Energieunternehmen ja hoffentlich kein zu riskantes Geschäft eingegangen, das den Milliardenkredit des Bundes schlagend machen würde. Der Rechnungshof wird prüfen – und vielleicht gleich auch ein Auge auf die unfassbaren (Beamten-)Pensionsrückstellungen der Wien Energie von 1,2 Milliarden € werfen.
Haben Sie außerdem gewusst, dass „unverzüglich“ auch Monate später bedeuten kann – jedenfalls in Wien? Die in der Stadtverfassung verankerte Notkompetenz gab dem Bürgermeister die Möglichkeit, im Juli die ersten 700 Millionen Euro als „Garantie“ für die Wien Energie aufzutreiben. Der Verpflichtung, den Gemeinderat darüber „unverzüglich“ zu informieren, kann man erstaunlicherweise erst im September nachkommen. Denn DAS wussten wir schon bisher: In den Ferien macht das Land dicht, der Weltuntergang kann warten.
Kommentare