Die Genossen brauchen eine Frischzellen-Kur

Die deutschen Sozialdemokraten blinken wieder verstärkt links. Gut so, das alleine ist aber zu wenig.
Walter Friedl

Walter Friedl

Die deutschen Sozialdemokraten probieren es jetzt also mit der Rückbesinnung auf das Kerngeschäft: Höhere Grundrente, Mindestlohn, länger Arbeitslosengeld. Motto: Links blinken – und dann (wieder) auf die Überholspur. Gut so, dafür wurden die Parteien einst in ganz Europa gegründet.

Die "Genossen" Tony Blair (Großbritannien) und Gerhard Schröder (Deutschland), die in Wahrheit eine neoliberale Politik durchzogen, haben diese Basis verlassen. Die Folgen waren (mit anderen Gründen) ein Aufgehen der Schere Arm/Reich, begründete Abstiegsängste der Mittelschicht und aktuelle Umfragewerte für die SPD, die sie zwischen 15 und 17 Prozent ausweisen, gleichauf mit den runderneuerten deutschen Grünen.

Kann der "roten Tante" in unserem Nachbarland mit der neuen Strategie der Befreiungsschlag gelingen? Jein. Die Betonung des Sozialen ist sicherlich ein erster Schritt, zugleich aber müssen die Sozialdemokraten glaubhaft vermitteln, dass sie wirklich an der Seite der Abgehängten der Gesellschaft stehen. Die Zeiten des linksliberalen Moralisierens sollten vorbei sein, praktische Politik ist gefragt. Und erkennbare Empathie für das eigene Projekt. Die kann man SPD-Chefin Andrea Nahles zwar nicht absprechen, allerdings gehört sie seit einer gefühlten Ewigkeit der Berliner Polit-Elite an.

Neue Politik schreit auch nach neuen Köpfen, die deutschen Grünen haben es vorexerziert. Das Spitzenduo Robert Habeck, 49, und Annalena Baerbock, 38, geht mit so viel spürbarer Lust an das politische Gestalten heran, es signalisiert mit jeder Faser, dass es Neues will, nicht bloß Altes verwalten. Genau das fehlt dem Führungskader vieler sozialdemokratischer Parteien in Europa. Wenn sie nicht mutvoller in die Zukunft schreiten, werden sie das "letzte Gefecht" verlieren.

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