Die alte Signora und die Hitze

Barbara Kaufmann

Barbara Kaufmann

Nicht dagegen ankämpfen, nicht verzweifeln, sondern die Hitze zelebrieren.

von Barbara Kaufmann

über die Hitze

Ich komme gerade aus Rom zurück, wo der Sommer der ewigen Stadt schon sichtbar zusetzt. Die Vespafahrer tragen Sandalen, kurze Hosen und ärmellose Shirts. Alle paar Meter sprudelt Wasser aus einem Hydranten, an dem sich Geschäftsleute, Kinder und Senioren schnell erfrischen können. Das Gesicht waschen, den dünnen Wasserstrahl kurz über Arme und Beine laufen lassen, bevor sie weiter ihrer Wege gehen. Zugegeben, etwas langsamer als sonst und vielleicht etwas bedächtiger.

Aber im Großen und Ganzen wirken die Römer noch unbeeindruckt von den Temperaturen. Noch gehen sie ihrem Alltag nach wie eh und je und lassen sich dabei von Touristenmassen ebenso wenig aus der Ruhe bringen wie von unverlässlichen Bussen.

Die Schulkinder, die bereits seit zwei Wochen frei haben, denn die Sommerferien dauern in Italien rund drei Monate, wurden von ihren Eltern zu den Großeltern verfrachtet. Die sind mit ihnen ans Meer gefahren, aufs Land, oder man sieht sie am Nachmittag bei Ausflügen mit den Enkeln im Grünen am Gianicolo, wo oft ein einzelnes Pensionistenpaar eine ganze Truppe 13-Jähriger beaufsichtigt. Die sitzen dann ganz einträchtig auf der Wiese um die Bank mit den Älteren herum, essen ihr Eis, und kurz ist man gerührt von der Idylle und denkt sich, das mit dem Generationenkonflikt ist vielleicht doch übertrieben. Aber wahrscheinlich hat man bei 35 Grad im Schatten einfach keine Kraft zum Streiten und besinnt sich auf das, was wirklich zählt.

Majestätisch

Außerdem "richtig heiß wird es erst noch", erklärt die Barbesitzerin in Trastevere und meint damit jene sengende Hitze, die sich im Juli und August über die Stadt legt und jeden, der nur irgendwie kann, aus ihr flüchten lässt. Doch noch erdulden die Römer die Temperaturen – so wie jene Signora, die mir kurz vor meiner Abreise auf dem Viale Trastevere entgegenkam.

Sie ging nicht etwa über den löchrigen Asphalt, sie schritt majestätisch den breiten Gehweg entlang. Sie war an die 70, trug ein schwarzes Kostüm mit langer, gehäkelter Jacke und einen dazu passenden Hut mit breiter Krempe. Sie setzte sich an den Nebentisch eines kleinen Cafés, bestellte nichts, tat nichts, sagte nichts, seufzte nur und ruhte sich aus. Die Kellnerin kam sofort, begrüßte sie herzlich und brachte ihr ein Glas Wasser mit Eiswürfeln. Natürlich aufs Haus.

Hitzefeiern

Sie fragte, ob es ihr gut gehe. Die Signora nickte gnädig. Nippte am Wasser, zündete sich eine Zigarette an, die sie in einem alten Holzspitz rauchte, und betrachtete die Umgebung huldvoll. Sie klagte nicht über die Hitze, sie haderte nicht mit ihr, sondern sie nahm sie würdevoll hin, als unvermeidlichen Teil der Stadt, in der sie vielleicht schon ihr ganzes Leben verbracht hatte.

Zurück in Wien ist es beim Aussteigen aus dem Zug plötzlich genauso heiß wie in der Stadt am Tiber. "Es wird noch verromter hier", bringt es die wunderbare Schriftstellerin Julya Rabinowich auf den Punkt, die es auch lieber kühler hat. Vielleicht muss man es machen wie die Signora in Rom, nicht dagegen ankämpfen, nicht verzweifeln, sondern die Hitze zelebrieren. Hitzefeiern statt Hitzesudern. Die Tage werden jetzt wieder kürzer, der Herbst kommt schneller, als man denkt.

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