Der Papst zeigt im Abgang noch Größe

Benedikt XVI tritt zurück – ermüdet an den inneren Widersprüchen seiner Kirche und römischen Intrigen.
Josef Votzi

Josef Votzi

Josef Ratzinger zeigt im Abgang eine Größe, die er in den offenen Fragen seiner Kirche oft hat vermissen lassen.

von Josef Votzi

über den Rücktritt des Papstes

Der Papst tritt zurück? Die Eilt-Meldung am Rosenmontag hielten viele erst für einen Faschingsscherz. Für ganze Generationen galt es als ein ehernes Gesetz: Ein Papst tritt nicht zurück. Jetzt ist es mit Brief und Siegel gewiss: Der „Heilige Vater“ ist auch in diesem Punkt von dieser Welt. Joseph Ratzinger ist nicht der erste Papst, der abdankt. Aber er ist der Erste, bei dem die ganze Welt miterleben konnte, dass er gute Gründe dafür hat. Der 85-Jährige ist zu allererst müde, ausgebrannt, bekennt er selber offen wie nie ein (siehe Papst-Erklärung). Ermüdet ist der Schöngeist zuvorderst an den Intrigen seiner engsten Umgebung im Vatikan und den ungelösten inneren Widersprüchen seiner katholischen Kirche. An der mangelnden Kraft, dem allen Herr zu werden, ist sein Pontifikat gescheitert.

Benedikt XVI hatte sich für mehr als eine Milliarde Katholiken weltweit verantwortlich zu fühlen. Als Papst ist er Chef eines Weltkonzerns, der mit einem kleinen Apparat von Rom aus gesteuert wird. Allein 400.000 Priester unterstehen der Jurisdiktion von ein paar Dutzend Klerikern in der römischen Zentralbehörde.

Wer, wie der Autor, bei einer Vatikan-Visite miterlebt hat, mit welch hilfloser Angst eine kleine Gruppe von 400 „ungehorsamen“ heimischen Priestern rund um Helmut Schüller beäugt wird, bekommt eine Ahnung vom inneren Zustand des Apparats. Radikal durchgreifen will der eine aus Angst vorm Flächenbrand des Protests nicht. Ignorieren will sie der andere aus Furcht vor weiterem Autoritätsverlust nicht. Die „Lösung“ a la romana: Schüller wurde der Titel „Monsignore“aberkannt – in Rom eine Ohrfeige, zu Hause ein Ritterschlag.

Jammerbild Vatileaks

Missbrauchs-Skandale beschäftigten den Vatikan seit der Affäre Groër 1995. Als Ratzinger 2005 Papst wurde, hatte auch er mit dem erbitterten Ringen zwischen Vertuschern und Aufräumern zu kämpfen.

Als der einst engste Papst-Mitarbeiter und Obervertuscher, Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano, zuletzt auch öffentlich mit der Forderung provozierte, in Sachen Missbrauch solle endlich „Schluss mit dem Geschwätz“ sein, bescherte ihm das sogar eine mediale Rüge des Papst-Vertrauten Kardinal Schönborn.

Im Vorjahr musste der Papst dann noch miterleben, dass ihm sein Kammerdiener geheime Dokumente vom Schreibtisch stahl und an einen Enthüllungsjournalisten weitergab – und das vorgeblich im Glauben, damit das Intrigenspiel zugunsten des Papstes zu wenden.

Das Bild, das der Vatikan danach abgab, war nur noch jämmerlich: Eine Intrigenhaufen, der sich sogar mit missliebigen Medien verbündet, um im internen Grabenkampf zu obsiegen.

Benedikt XVI hat seinen zu einer Haftstrafe verurteilten Kammerdiener rund um Weihnachten begnadigt. Nun gewährt er sich selber die Gnade, den Vatikan noch zu Lebzeiten verlassen zu dürfen. Josef Ratzinger zeigt damit im Abgang eine Größe, die er in den brennenden offenen Fragen seiner Kirche oft hat vermissen lassen.

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