Der ORF muss neu gegründet werden

Sorgen um die Unabhängigkeit des ORF kommen zu spät. Politiker haben (fast) immer eingegriffen.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Das Wort Heuchelei soll nicht überstrapaziert werden, obwohl es in den letzten Tagen viele Wortmeldungen zum ORF bestimmte. Reden wir also von Krokodilstränen, die ungehemmt in ein Meer von Presseaussendungen, Tweets und Appellen flossen. So gut wie niemand, der zuletzt einen unabhängigen ORF beschwor, will diesen auch.

Beginnen wir bei der SPÖ, die besser schamhaft und öffentlich ihre jahrzehntelange Einmischung in den ORF betrauert hätte. Die angedachte Finanzierung aus dem Budget alleine ist nicht das Schlimmste, was man dem Rundfunk antun kann.

Die FPÖ wiederum will den Wählern doch glatt einreden, dass bei Abschaffung der Gebühren die Bürger mehr Geld hätten. Putzig ist auch der Generaldirektor, der von Unabhängigkeit redet, die ihm ziemlich wurscht war, wenn es um seine Wiederwahl ging. Relativ ehrlich waren noch die Landeshauptleute. Sie wollen Landesstudios, weil es ihnen nutzt. Und die ÖVP aktiviert politischen Druck, wobei man hört, dass wegen der jüngeren Konsumenten bei Ö3 und auf orf.at dort öfter interveniert wird als im Fernsehen. Der Kanzler selbst wurde zum Kritiker,weil ihm eine – richtige – Ö3-Meldung über die Erhöhung der Parteienförderung nicht behagte. Sie stimmte aber.

Zu den Fakten: Die Gebühren sind keine Garantie für die Unabhängigkeit. Die jeweilige Erhöhung, die alle fünf Jahre möglich ist, wird zwar offiziell vom Stiftungsrat beschlossen, de facto aber von der ORF-Führung mir den Parteisekretären paktiert – inklusive Tauschgeschäfte bei Personalbesetzungen. Eine Finanzierung aus dem Budget mit garantierter jährlicher Valorisierung wäre nicht schlechter. Freilich ginge es da um den Grundbetrag, den der ORF zu Beginn bekommt. Auch wenn Zeitungen nun von angeblich enormen ORF-Gehältern berichten, ist richtig, dass auch am Küniglberg in den letzten Jahren massiv gespart wurde. Allerdings nicht mit strategischer Ausrichtung. Die Technik ist noch immerviel zu groß, im Programm fehlen die Innovationen, für die der ORF einmal weit über die Grenzen hinaus bekannt war.

Neue Programme und Unabhängigkeit

Da wäre nun aber wirklich Zeit für die Umsetzung des Wahlslogans vom „Neu regieren“. Ein neuer ORF muss her, ein ORF, der durch das Gesetz ferne der Regierung aufgestellt, ausreichend finanziert und von Experten kontrolliert wird. Wenn einer neuen Führung zu ORF 1 aber nicht mehr einfällt als der derzeitigen, soll dieser Sender mit dem Auftrag eines österreichischen Programms privatisiert werden. Im Moment muss man auf ORF1 heimische Produktionen zwischen US-Serien mit der Lupe suchen.

Im internationalen Mediengestrüpp brauchen wir starke heimische Stimmen. Die Kreativität soll leben. Die Regierung könnte diese Kreativität freisetzen. Aber noch regiert die Angst, auf allen Seiten.

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