Der ORF gehört uns allen

Der ORF gehört uns allen
Weshalb der Publikumsrat als Vertretung der Hörer und Seher in der aktuellen Form sinnlos ist.

Der ORF ist und zeigt, wer und was wir sind – aber wie gelangen eigentlich Wünsche und Anliegen der Zuschauerinnen, der Hörer und der User an die Programmmacherinnen vom Küniglberg?

Damit die gesellschaftliche Vielfalt auch den Wünschen und den Gedanken des Publikums folgt, gibt es ein Gremium, das genau dies überprüfen und im Auge haben soll: den Publikumsrat. 31 Persönlichkeiten aus der Zivilgesellschaft treffen sich in sieben Ausschüssen und dann auch in öffentlich zugänglichen Plenarsitzungen – um die Qualität des Programms und etwaige Beschwerden zu besprechen.

Da die Empfehlungen des Publikumsrates laut ORF-Gesetz nicht bindend sind, passiert das, was die Geschäftsführung für richtig und wichtig erachtet. Dementsprechend reduziert sich die tatsächliche Bedeutung dieses Gremiums auf eine einzige Funktion: Die Vertreterinnen des Publikumsrates wählen – ohne sich vorher je persönlich kennengelernt zu haben und auch ohne Hearing oder nennenswerten Diskurs – sechs Vertreterinnen aus den Reihen der Publikumsräte für den tatsächlich relevanten ORF-Stiftungsrat.

So geschehen im Jahr 2018, als auf Antrag des Sprechers des ÖVP-nahen „Freundeskreises“ drei türkis-affine und drei FPÖ-affine Publikumsräte in den Stiftungsrat gewählt wurden. So ist die Arbeit der sieben Ausschüsse und der seit damals stattfindenden Plenarsitzungen allenfalls noch als „nice to have“ zu bezeichnen – immerhin gibt es Begegnungen und Gespräche zwischen ORF-Journalistinnen und Publikumsvertreterinnen – effektiver und sinnvoller Output schaut aber anders aus.

Der Publikumsrat müsste deshalb in einem nächsten ORF-Gesetz das Mandat erhalten, die jährlichen Sendeschemata (also die Programmabläufe von TV, Radio und Online) genehmigen oder eben auch ablehnen zu dürfen. Damit würde das Gremium tatsächlich Einfluss auf die Gestaltung der ORF-Angebote nehmen können. So wäre der Publikumsrat in der Lage zu verhindern, dass für Sportrechte 20-mal so viel Geld ausgegeben wird, wie für das gesamte Kinderprogramm; dann könnte der Publikumsrat darauf Einfluss nehmen, dass bei Sendeplätzen der Religionsabteilung nicht nur christliche Kirchen zum Zug kommen; dann könnte der Publikumsrat mithelfen, dass die ausgezeichnet formulierten ORF-Programmrichtlinien auch vollumfänglich im Programm umgesetzt werden. Im Gesetz könnte darüber hinaus vorgesehen werden, dass sich auch die Kandidaten für den Publikumsrat im Vorfeld ihrer Bestellung einem Hearing stellen.

Der ORF gehört uns allen. Er ist ein ganz besonderes Stück Österreich. Dementsprechend sollte der Publikumsrat doch mehr sein als eine „Alibi-Einrichtung“.

Golli Marboe ist ORF-Publikumsrat der Neos, Speaker und Publizist.

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