Das Ende der Mediengattungen

Was wir in Österreich den Big 5 Digitalgiganten des Silicon Valleys entgegensetzen können
Markus Breitenecker

Markus Breitenecker

Die wahre Herausforderung kam durch die Key-Player aus dem Silicon Valley

von Mag. Markus Breitenecker

über Veränderungen in der Medienlandschaft

Die europäischen Medien stehen in regionalen Märkten derzeit vor der Auflösung der klassischen Mediengattungen, wie wir sie bisher kannten. Während es bisher deutliche Unterschiede zwischen einem Print-Produkt, einem Fernsehsender, einem Radiokanal oder einem Kinofilm gab, finden sich alle Medienmarken heute gleich groß, nebeneinander auf dem Screen der mobilen Endgeräte. Was für eine Revolution das bedeutet, beginnen wir erst zu verstehen.

Obsolete Unterscheidung

Die Streaming-App eines Fernsehsenders kämpft um die gleiche Aufmerksamkeit, wie die App einer Tageszeitung, wie das Angebot eines Musikplayers oder die Newsfeeds einer Suchmaschine. Bisher sind die unterschiedlichen Mediengattungen mit unterschiedlichen marktforscherischen Methoden gemessen worden (z.B. Print mit Befragung in der Media-Analyse, Fernsehen durch elektronische Messung), heute werden alle Mediengattungen auf einem Mediaserver miteinander vergleichbar. Früher waren die Distributionskanäle für Print-Zeitungen mit Abonnements, Freiverkauf, Kolportage und Gratis-Verteilung völlig andere als etwa die Distributionskanäle für Fernsehsender über Kabel, Satellit oder Terrestrik. Außerdem hatten öffentlich-rechtliche Sender Must-Carry-Privilegien in einem Vollversorgungsauftrag und Privatradios waren beschränkt auf regionale Verbreitungsgebiete. Heute verwenden alle Medien den gleichen Distributionskanal: das Internet. Die Unterscheidung in Mediengattungen wird damit obsolet. Kundengewohnheiten unterscheiden sich nicht mehr, unterschiedliche gesetzliche Rahmenbedingungen wie öffentlich-rechtliche Finanzierung oder Steuererleichterungen sind somit anachronistisch. Ob wir es wollen oder nicht, die Tageszeitungen beispielsweise haben damit nicht mehr einen reinen internen Konkurrenzkampf, sondern stehen auch mit allen Fernsehsendern, Radiosendern, Onlineseiten und neuen digitalen Anbietern in gleichwertigem direkten Wettbewerb.

Die wahre Herausforderung kam durch die Key-Player aus dem Silicon Valley, die durch ihre globale Bedeutung auch in den einzelnen Regionalmärkten marktbeherrschende Stellungen eingenommen haben und in ganz direktem Wettbewerb zu den regionalen Medienanbietern getreten sind. Im neuen digitalen Zeitalter ohne klassische Mediengattungen müssen zwei Arten von Anbietern unterschieden werden: Erstens die meist regionalen Medienplayer, die Inhalte herstellen, indem sie personal- und kostenintensive Redaktionen finanzieren und Mitarbeiter ausbilden, nennen wir sie regionale „ Contentmedien“. Und zweitens jene Anbieter, die Angebote kreiert haben, die als Meta-Plattformen algorithmusgesteuerte Inhalte von anderen Anbietern, Usern und Contentmedien aggregieren, vermarkten und kapitalisieren, nennen wir sie globale „Metamedien“.

Bedrohung

Derzeit überholen die Metamedien die Contentmedien in den jeweils regionalen Märkten, sowohl was die Userzahlen, als auch die Umsätze betrifft. Diese digital tektonischen Plattenverschiebungen werden auch als disruptive Bedrohung der alten Geschäftsmodelle der Contentmedien beschrieben. Sind wir dieser Entwicklung ohne eine Chance ausgeliefert und müssen resignieren? Meine These: Nein! Wenn wir jetzt initiativ sind, können wir uns auf mehreren Ebenen verlorenes Terrain zurückerobern: Die regionale Politik muss schnell und entschlossen handeln und sowohl in Brüssel, als auch in den europäischen Einzelstaaten eine konvergente Medienregulierung beschließen. Derzeit sind die globalen Metamedien rechtlich stark bevorzugt: Sie haben im Gegensatz zu Fernsehen keine Werbebeschränkungen, sie gewähren zulasten von Print keinen Urheberrechtsschutz, sie kapitalisieren Content, der teilweise rechtswidrig hochgeladen wurde, sie zahlen keine Steuern in Österreich und sie sind bevorzugt, da sie im Gegensatz zu den Contentmedien auch keine Werbeabgabe leisten müssen. Dabei ist die Forderung nach einem ‚level playing field‘, also einer rechtlichen Gleichbehandlung von Metamedien und Contentmedien ohnehin nur eine milde Mindestforderung. Sinnvoller wäre es, strengere Bestimmungen für Metamedien einzuführen, da diese keine Wertschöpfung in den regionalen Märkten erzeugen. Sie zerstören vielmehr vorhandene Wertschöpfung klassischer Contentmedien und darüber hinaus sind sie auf die geschickte Ausnutzung der User und „Contentlieferanten“ ausgelegt. Für Twitter beispielsweise stellen Österreichs Top-Journalisten gratis ihre kreative Arbeit von vielen Stunden pro Tag zur Verfügung, werden von Twitter dafür nicht bezahlt, tun dies aber in der bezahlten Arbeitszeit der klassischen, regionalen Contentmedien.

Wir brauchen also eigene, attraktive Plattformen, Startups und Mediengründungen für die die Kreativen freiwillig und gerne arbeiten, weil sie damit ihre Anerkennung, Selbstbestätigung und Eigenpromotion ebenso gut verwirklichen können wie auf den Plattformen der globalen Big 5. Wir müssen vom Silicon Valley lernen und bessere Produkte und Angebote in Europa herstellen, nicht nur als wir das jetzt tun, sondern auch bessere Produkte für die lokalen Märkte, als das die Big 5 der globalen Metamedien können. Dafür benötigen wir eine Veränderung der Einstellung und Haltung der europäischen und insbesondere der österreichischen Geschäftsmentalität, die viel zu stark auf Bewahrung von, in der Vergangenheit erworbenen, Standards setzt als auf Unternehmertum, Neugründungen und Startup-Spirit.

Passivität

Der österreichische Gesetzgeber entschuldigt seine Passivität den globalen Digitalphänomenen regulatorisch entgegenzuwirken oft mit den komplizierten europaweiten Abstimmungen. Es wäre hingegen möglich und auch notwendig, um den Rückstand, den wir in den letzten 10 Jahren aufgebaut haben wieder aufzuholen, auch auf österreichischer Ebene durch eine Neuordnung des Mediensystems im digitalen Zeitalter zu reagieren. Jährlich wird über 1 Milliarde Euro an öffentlichem Geld vom Steuerzahler in das Mediensystem gepumpt (800 Millionen Rundfunkgebühren, von denen 600 Millionen der ORF erhält und 200 Millionen Bund und Länder, sowie Presse- und Medienförderungen und über 200 Millionen, die aus Inseraten und Werbeschaltungen der öffentlichen Hand mehr oder weniger transparent an bestimmte Medien verteilt werden). Diese Milliarde muss in Zukunft so verteilt werden, dass nicht der Wettbewerb innerhalb der Gruppe der regionalen Contentmedien angeheizt, verzerrt oder gar unfair beeinflusst wird. Die Medienförderung soll in Zukunft nicht den operativen Alltagsbetrieb einzelner Medienhäuser fördern, sondern Qualität und Neugründungen und das organisiert im Rahmen eines Subsidiaritätsprinzips. Das Subsidiaritätsprinzip bedeutet, dass nur das gefördert werden darf, was der Markt nicht von sich aus heraus finanzieren kann, aber im öffentlichen Interesse liegt. Dazu gehören nicht nur Kultur und hochwertige Informationsprogramme, sondern auch technische und wirtschaftliche Innovationen, die in der Lage sind, den globalen Metamedien die Stirn zu bieten.

Handeln statt resignieren

Moralische Kategorien helfen nicht weiter – es geht um Sein oder Nichtsein. Wenn wir in Zukunft nicht wollen, dass Google und Amazon ihre Marktdominanz missbrauchen, YouTube unsere teuer produzierten Inhalte „stiehlt“ und der Facebook-Newsfeed ein Informationsmonopol bekommt, dann müssen wir spätestens jetzt, 5 nach 12, handeln statt zu resignieren. Besser wäre, mit Kampfeslust die österreichischen und europäischen Gesetze anzupassen, indem wir globale Datenmacht beschränken oder zerschlagen und statt durch falsche Fördersysteme dem internen Wettbewerb zu schaden, die gemeinsame Energie auf den globalen Wettbewerb zu fokussieren. Wir müssen als österreichische Contentproduzenten gemeinsam vom Spirit der jungen Gründer im Silicon Valley lernen und mutige Medienangebote entwickeln, die unsere User lieben.

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