Das Design bestimmt das Bewusstsein

Martina Salomon

Martina Salomon

In trostloser Umgebung blüht Kriminalität besonders.

von Dr. Martina Salomon

über Raumplanung als Gewaltprävention

Praterstern und Handelskai in Wien, Bahnhöfe und Parks in ganz Österreich: Das sind Orte, die negative Schlagzeilen machen – von Vergewaltigung bis Messerstecherei. Antwort der Beschwichtiger: Hat’s schon immer gegeben. Reaktion der Regierenden: mehr Budget für Sicherheitspersonal (siehe S.18).

Es wäre allerdings auch sinnvoll, die Raumplanung für Gewaltprävention einzusetzen, um "Angsträume" zu entschärfen oder gar nicht erst entstehen zu lassen. In trostloser Umgebung blüht Kriminalität besonders. Dazu gibt es in den USA die "Broken Windows"-Theorie, was auf gut Österreichisch übersetzt bedeutet: "D'Sau und da Dreck find't si." Sprich: Wo es ein zerbrochenes Fenster oder eine beschmierte Hauswand gibt, gehen die Menschen achtloser mit ihrer Umgebung um – müllen sie noch weiter zu, begehen eher eine Straftat.

Dreck und Gewalt

Die Stadtpolitik müsste höchstes Interesse haben, keine No-Go-Areas entstehen zu lassen. Warum nicht ein Resozialisierungprojekt mit jungen Gewalttätern und Vandalen starten, bei dem unter Aufsicht bezirksweise alle beschmierten Wände gereinigt werden müssen? Und brauchen wir nicht gerade in Problemgebieten architektonische Highlights, um sie vor Absandelung zu bewahren? New York hat den Meatpacking District mit dem Highline Park (eine aufgelassene Hochbahntrasse) und die Bronx mit dem coolen Neubau des Yankee-Stadions aufgewertet.

Logisch, dass sich auf dem baulich geglückten Wiener WU-Campus mit seinem Mix aus Muße- und Arbeitsflächen der Geist freier entfalten kann als in einem Bürokomplex in der Einschicht mit finsteren Ecken. Gute Arbeitgeber wissen, dass Loyalität und Fleiß ihrer Arbeitnehmer in durchdacht gestalteten Büros größer sind. In der Schule ist das nicht anders. Umso unbegreiflicher ist es, wie wenig in schulpolitischen Diskussionen über Architektur und Raumgestaltung gesprochen wird. Ganz abgesehen davon, dass in Schulen aus der Zeit Kaiser Franz Josephs ein ganztägiger Betrieb nur mit Mühe und Improvisation funktionieren kann.

Längst weiß man, wie menschengerecht gebaute Viertel ausschauen müssten. Dennoch werden weiterhin getrennte Büro- und Wohngettos (oft viel zu verdichtet und zu hoch) gebaut. Wohnen, Arbeit, Freizeit – jeweils konzentriert auf Regionen, die zu bestimmten Zeiten völlig "tot" sind. Die alten Gründerzeithäuser, die den Mix noch zuließen, werden hingegen abgerissen – unter anderem, weil ein verrücktes Mietrecht das Sanieren im Altbau bestraft und Vermieten von Neubauwohnungen begünstigt.

Speziell Wien wächst derzeit fast bedrohlich schnell – und wird bis 2030 zwei Millionen Einwohner haben. Wann, wenn nicht jetzt, ist die Stadtplanung gefordert? Vergraben wir nicht zu viel Geld in Tunnels (Lobau) und eine neue U-Bahn, wo manchmal eine leistungsstarke Straßenbahn besser wäre? Sogar U-Bahnen können ja Verslumung fördern, weil sich das (Geschäfts-)Leben nur noch im Umkreis der Ausgänge entwickelt. Und zuletzt noch ein kleiner Tipp an die Regierenden: Wer wie Michael Häupl und Werner Faymann in einem denkwürdigen Zib1-Interview von Donnerstagabend Neustart signalisieren will, sollte sich nicht auf goldene Stühlchen in ein Barock-Ambiente setzen. Oder bestimmt auch hier das Design das Bewusstsein?

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