Was wäre zum Beispiel, wenn der ukrainische Präsident nicht ein überzeugender, europäisch wirkender Schauspieler, sondern ein grobschlächtiger Oligarch wäre? Würde man ihn dann im Westen genauso vehement unterstützen und Lichtermeere entzünden? Darf man auch nur darüber nachdenken, dass es vielleicht besser wäre, Russland aus der selbst gewählten Sackgasse irgendeinen Ausweg zu weisen, um weiteres schreckliches Leid, Blutvergießen und schwere Verwerfungen im restlichen Europa zu verhindern? Eine Frage, auf die es leider keine moralisch und ethisch eindeutige Antwort gibt. Denn ohne Gegenwehr und ohne Sanktionen würde der Aggressor recht behalten und seinen Eroberungsfeldzug womöglich fortsetzen. Wo ist eine rote Linie zu ziehen, und hat sie Putin nicht schon mit der Krim-Besetzung übertreten?
Darf (oder muss?) die westliche Welt dem Diktator dennoch eine gesichtswahrende Lösung zubilligen? Nein, sagen die einen (zu Recht), weil er ein Kriegsverbrecher ist. Ja, sagen die anderen (ebenfalls zu Recht), weil niemand Interesse an einer weiteren Spirale des Irrsinns haben kann. Da geht es nicht darum, die Heizung bei uns um zwei Grad runterzudrehen, wie manche naiv fantasieren. Da geht es um unser aller Wohlstand, Arbeitsplätze, soziale Sicherheit und um einen möglichen Stillstand der industriellen Produktion, die schon jetzt durch Energiepreisexplosion, Rohstoffmangel und gestörte Lieferketten instabil ist.
Dagegen nimmt sich manch innenpolitische Debatte nur noch lächerlich aus. In Wahrheit müssten wir in Österreich (und der EU) Ernsthaftes ansprechen. Wer sich von russischem Gas unabhängig machen will, braucht schnellere Verfahren für neue Wasser- und Windkraftwerke sowie Geothermie. Die Möglichkeit von Fracking-Gas im Weinviertel sollte noch einmal geprüft werden – es gibt schon umweltschonendere Verfahren als in den USA.
Wir können nicht alles haben: billige Versorgungssicherheit und -unabhängigkeit bei gleichzeitigem Verzicht auf Atomkraft, Wasserkraft und Kohle. Dafür importieren wir dann teures Gas aus Katar, Kohlestrom aus Polen und Atomenergie aus Tschechien. Es ist eine Illusion, dass wir unseren ganzen Energiebedarf binnen ein paar Jahren elektrifizieren, dass alles ad hoc ethisch und ökologisch „supersauber“ ist – ohne Belastung für die Haushalte. Die Hoffnung, bald wieder in „langweiligeren“ Zeiten zu leben, dürfte sich jedenfalls nicht so bald erfüllen.
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