China und wir: Anschnallen bitte

Diese Woche tagte in Peking die Seidenstraßenkonferenz – ein guter Anlass, um über Europa und Asien nachzudenken. Wer wird gewinnen?
Martina Salomon

Martina Salomon

Ein selbstgefälliges Museum mit hoher Bequemlichkeit und soliden, alten Firmen: So sehen Chinesen Europa.

Ein kollektivistisches Riesenland mit viel Dynamik und wenig Skrupel: So sehen Europäer China.

Die kulturellen Barrieren sind noch immer hoch, dabei könnten beide voneinander profitieren. Dazu müsste Europa öfter vom hohen moralischen Ross herabsteigen. Und China müsste seinen Ankündigungen vom fairen Handel Taten folgen lassen.

Dass sich das Verhältnis zwischen Europa und China wandelt, hat auch mit der rüden Politik von US-Präsident Trump zu tun. Sie lehrt Europa, sich in vielerlei Hinsicht nicht mehr auf die USA verlassen zu können. Und sie lehrt China, dass man sich nicht ewig gegen ausländische Konkurrenz abschotten kann, wenn man am Weltmarkt reüssieren will.

Moralische Entrüstung

Die Volksrepublik sperrt nach wie vor internationale Firmen aus: Facebook, Google, WhatsApp funktionieren hier nicht. Das kommunistisch-kapitalistische China setzte strikt auf eigene Technologie. Als Riesenland mit märchenhaften Wachstumsraten war es lange Zeit nicht unbedingt auf Exporte angewiesen. Ergebnis: Die globalen Internet-Player sind chinesisch und amerikanisch. Europa sitzt auf der Zuschauerbank und ist moralisch entrüstet – wieder einmal. Das können wir gut, es bringt nur nichts.

Imperialistisch

Chinas Siegeszug ist noch lange nicht beendet. Es hat Bereiche definiert, in denen es Weltspitze werden will. Künstliche Intelligenz etwa. Oder E-Mobilität. Zum Schrecken der deutschen Autofahrernation stiegen Chinesen bei Daimler ein. Deutschland und Österreich wappnen sich jetzt mit neuen Gesetzen gegen solche Übernahmen. Zunehmend wird vor chinesischem Imperialismus gewarnt. So eröffnete FDP-Chef Christian Lindner vor zwei Tagen den Parteitag der Liberalen mit ein paar chinesischen Worten. China sei dabei, ein globaler Hegemon zu werden, sagte er. Europa müsse das Stadium der Bequemlichkeit verlassen.

Stimmt. Die EU droht zerrieben zu werden zwischen der „America first“-Politik Trumps und der „Made in China“-Strategie von Präsident Xi Jinping. Was bitte ist eigentlich unser wirtschaftliches Leitmotiv? Immerhin sind die Europäer zu Recht stolz auf die demokratischen, ökologischen und sozialen Errungenschaften. Aber lässt sich dieser „Goldstandard“ wirklich allen aufzwingen? Und was, wenn er irgendwann zu unserem einzigen „Exportschlager“ wird?

Ja, Europa baut Autos, Maschinen, Seilbahnen, Kräne, Medizintechnik besser als andere (Flughäfen schon nicht mehr ). Zukunftspotenzial wäre durchaus da, siehe Österreich: Unsere Investitionen in Forschung und Entwicklung sind vorbildhaft, die Wissenschaft muss sich nicht verstecken. Es gibt chinesisch-österreichische Forschungskooperationen in Nanotechnologie und Quantenphysik. Wenn es jedoch um die Umsetzung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in der Realwirtschaft geht, ist Österreich schwach.

Insgesamt ist Westeuropa (im Gegensatz zu osteuropäischen Ländern, die auch bedenkenlos mit China in der „16 plus eins“-Initiative wirtschaftlich kooperieren) müde geworden. Österreich besonders. Einer aktuellen Studie von Wirtschaftssoziologen an der Uni Wien zufolge ist der Stellenwert von Arbeit im Leben junger Menschen hierzulande besonders niedrig (nur Spanier sind noch schlechter).

Das ist eine dramatische Nachricht angesichts des Fachkräftemangels und des globalen Wettbewerbs, in dem wir stehen.

Wer an dieser Stelle über asiatische Arbeitsbienen spottet, möge bedenken: Diese überflügeln selbst an internationalen Spitzenunis die europäische und amerikanische Konkurrenz.

Gewinnt China am Ende das wirtschaftliche Match? Gut möglich, obwohl es hemmende Faktoren gibt: Die Bürger warten auf Befehle von oben, es herrscht geistloser Drill und Rücksichtslosigkeit. Der Staat überwacht seine Bürger, was durch die Digitalisierung eine neue, erschreckende Dimension erreicht (in China aber relativ gleichmütig hingenommen wird). Pressefreiheit ist ein Fremdwort, zumindest der Korruption und der Umweltverschmutzung wurde der Kampf angesagt.

Befehlsempfänger

Eine wachsende Mittelschicht wird das ohnehin nicht mehr ewig widerspruchslos hinnehmen. International ausgebildete Junge in den Städten denken bereits freier. Um wirklich erfolgreich zu sein, kann ein Land nicht nur aus Befehlsempfängern bestehen. Aber auch nicht aus zu vielen, die nicht mehr hungrig nach Erfolg sind wie bei uns.

Das „Reich der Mitte“ könnte Österreich/Europa inspirieren, um zu einem neuen „Weg der Mitte“ zu finden. Mit der Dynamik von dort, aber den humanitären Standards von hier.

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